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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Ich überging den zur goldenen Faust geformten Türklopfer und drückte die Klingel. Erst nach mehrmaligem Läuten öffnete eine winzige Frau, die mit hervorquellenden Augen wie eine Kröte auf der Schwelle zu sitzen schien und es dennoch schaffte, hochmütig auf mich herabzublicken. Ich stammelte eine Auswahl von Namen und Worten, die mir angebracht erschienen.

    Ouando? Dove? Mit dem Finger zeigte ich mehrmals auf den Boden, was die Krötendame bewog, ihn an dieser Stelle einer genauen Untersuchung zu unterziehen. Ich winkte ab, nein, mit dem Boden war alles in Ordnung. Signora Bellone, war Signora Bellone gestern in der Kanzlei erschienen? Heute? Wann? Jemals? Überhaupt? War der Chef da? Claudio? Gab es einen Claudio hier? Sie zuckte die Schultern, verschränkte die kurzen Arme vor der gewaltigen Brust und ließ sich dann herab, auf einen Stapel Formulare, der auf einem kleinen Tisch lag, zu weisen. Sollte ich mich eintragen? Anmelden? Sie begann zu reden, doch ich verstand nichts. Unauffällig schaute ich mich um. Keine Lella, die auf den Fluren der Kanzlei in einem Ledersessel hockte. Es gab in dem schlichten Eingangsbereich und dem düsteren Flur keine Ledersessel, noch nicht einmal ordinäre Holzstühle. Die Kröte öffnete die Haustür und versuchte, mich mit ihrem kugeligen Körper hinauszudrängen. Da ich keinen Wert darauf legte, von ihr berührt zu werden, gelang ihr das tatsächlich. Die Tür fiel hinter mir zu, und noch immer war ich keinen Schritt weiter.

Kapitel 36
    LELLA
    Eine Minute nach fünf schloss ich an diesem Nachmittag das Limonenhaus auf. Gaetano war nicht zu sehen. Die Tür klemmte wie zuvor und gab zusätzlich noch ein unbekanntes, krächzendes Geräusch von sich. Ich stieg die schmale Treppe hinauf und wappnete mich: Bei Tageslicht würde alles noch viel schäbiger aussehen.
    Auf der Schwelle blieb ich abrupt stehen. Die Küche war hell, die Flügeltüren standen offen. Goldenes Sonnenlicht fiel auf den Tisch, der da ganz, heil und wieder rund mit seinen beiden Halbmonden in der Mitte stand: der mezzo tondo! Wie in Trance strich ich mit den Händen über das glatte Holz und griff nach dem Brief, der mit einer aufgeklebten Briefmarke für nur 25 Lire auf dem zusammengefügten Tisch für mich hinterlegt worden war. Oder besser für Maria Elisabetta Allegra. Ich zog an dem Tisch, aber die beiden Hälften ließen sich nicht mehr auseinanderschieben. Rasch ging ich in die Knie und schaute unter die Tischplatte. Sie waren mit den dafür vorgesehenen Scharnieren an der Unterseite ordentlich aneinander befestigt. Und noch etwas sah ich: Linien, fein geschwungene, schwarze Linien. Jemand hatte den Namen meiner Mutter und ein halbes »&«-Zeichen
in das dunkle Holz gebrannt. Auf der anderen Seite kam die fehlende Hälfte des Zeichens und sein Name dazu: »Maria & Finú«.
    Ein Fensterladen auf dem Balkon knarrte leise. Ich fuhr zusammen, sodass meine Hüfte gegen den mezzo tondo stieß und ihn ein kleines Stück über die Bodenkacheln schob. Ich lauschte. War Gaetano doch schon hier? War jemand anderes hier? Ich erhob mich und blieb ganz still stehen. Nichts. Ich war allein.
    Jetzt erst nahm ich den Briefumschlag in meiner Hand genauer in Augenschein. Das gelbliche Papier war porös, das ›M‹ von Maria mit derselben feinen Verschlungenheit gemalt, die ich schon aus dem Liebesbrief kannte. »Ritorna al mittente« stand neben die Adresse gekritzelt. Meine Mutter hatte diesen Brief nie zu Gesicht bekommen. Die plötzliche Gewissheit nahm mir den Atem.
    Ich ging hinaus auf den Balkon, holte mein Handy aus der Handtasche und rief im Salvatore an. Völlig egal, wo mein Vater gerade war, Mamma Maria musste sofort von diesem Brief wissen.
    Sie kam ans Telefon.
    »Mamma, ich bin mit Gaetano im Limonenhaus verabredet. Er ist aber noch nicht da. Stattdessen steht die andere Hälfte vom mezzo tondo auf einmal hier, und ich habe einen Brief an dich gefunden! Er ist schon ziemlich alt, aber noch ungeöffnet.« Hier stand ich, drei Meter über dem Wasser, und atmete die salzige Meeresluft ein, die das Haus auch schon umweht hatte, als dieser Brief vor über vierzig Jahren abgeschickt worden war. »›Zurück an Absender‹ steht vorne drauf. Hast du damals einen Brief zurückgeschickt?«

    Ihre Stimme war kaum hörbar. »Nein... Nein! Das ist nicht gut.« Sie fing an zu weinen. »Nein, besser nicht zu wissen, was da drin steht.«
    »Ich glaube, es ist die Schrift von Finú, ich habe einen Brief von ihm in

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