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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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nichts verstand... Ihre eigene Tochter hat sie mit ihren Zaubertropfen nicht von der Schwermütigkeit erlösen können. Die Grazia, das Mädchen, das später deinen Bruder geheiratet hat!«

Kapitel 32
    LELLA
    In den nächsten Stunden saß ich in meinem Zimmer und versuchte alles aufzuschreiben, was ich tun musste. Es fiel mir nicht leicht, denn ich konnte die Gedanken an Teresa einfach nicht abstellen: Teresa war die beste Freundin meiner Mutter gewesen! Teresa hatte meine Mutter nicht abgeholt!
    Nur langsam wurde meine Liste länger, doch am Ende standen die drei wichtigsten Dinge untereinander. Erstens: den einflussreichsten Anwalt nehmen, der zu finden war. Einen aus der Großstadt, aus Palermo.
    Dann: das Haus verkaufen.
    Außerdem: beim Jugendamt eine Person suchen, der ich vertrauen konnte.
    Es war heiß im Zimmer, eine grünlich schillernde Fliege fand den rettenden Fensterspalt nicht und flog in regelmäßigen Abständen beharrlich gegen das Glas. Ein nerviges Geräusch, so hoffnungsvoll, aber doch vergeblich. Ich stand auf und ließ sie hinaus. Befreit zischte sie in den Himmel.
    Alles, was ich mir vorgenommen hatte, würde dauern. Für Matildes zerbrechliche Kinderseele wäre jeder weitere Tag, den sie von mir getrennt war, ein Schaden. Konnte
eine Seele kaputtgehen? Oder verbog sie sich eher? Wurde sie grau, verbleichte sie? Wie sah Mamma Marias Seele wohl aus? Und wie die von Teresa? Ich warf mich auf das Meer von Blättern, das inzwischen das ganze Bett bedeckte. Plötzlich hatte ich das Bedürfnis, Gott einen Handel anzubieten. »Lass mich Matilde finden, lass Teresa gnädig sein«, betete ich. Doch ich empfand meine Bitte sogleich als absurd. Gott und ich wussten, dass sich die Begriffe ›Teresa‹ und ›gnädig‹ ausschlossen. »Ich werde dir... ich werde für dich...« Mir fiel auf, dass ich nicht mehr viel besaß, was ich Gott zum Tausch anbieten konnte.
    Ich betrachtete meine Liste. Womit sollte ich beginnen? Einen Anwalt suchen? Die Worte von Claudios Vater tauchten wie zähe Blasen in meinem Kopf auf und blieben dort kleben: »... auf dieser Insel gibt es noch Männer, die Recht und Unrecht unterscheiden können.«
    Es hatte keinen Sinn, ich kam nicht darum herum, einen Mann aufzusuchen, der wie der alte Acquabollente den falschen Nachnamen trug.

Kapitel 33
    PHIL
    Ich hatte mich ein wenig verfahren, doch um Mitternacht rollte ich mit meinem Citroen endlich in Bagheria ein, fuhr über einen Bahnübergang und weiter geradeaus, eine ansteigende Geschäftsstraße hoch. Haushaltswaren-, Schmuckund Modegeschäfte, nichts, was man in Deutschland nicht auch finden würde. Den Handyladen musste ich mir allerdings merken. Morgen früh, gleich wenn er öffnete, würde ich dort ein neues Gerät erstehen. Die Straße wurde steiler, und als ich erkannte, wo ich mich befand, übermannte mich regelrechte Euphorie: Rechts von mir kam jetzt die Kirche mit dem Brunnen davor, der Ort, an dem ich Lella zum ersten Mal aufgespürt hatte! Ohne Handy und mit diesem komischen Taxifahrer, dem ›warmen Arm‹. Es schien Jahre zurückzuliegen.
    Ich hatte keine Kraft mehr, noch ein Hotel zu suchen, daher legte ich mich hinten auf die gepolsterte Rückbank, deckte mich mit einem Pullover und meinem Mantel zu und schlief tatsächlich ein.
     
    Um kurz nach vier wurde ich wach, weil ich erbärmlich fror. Ich stellte fest, dass es an einem 29. Mai auf Sizilien eiskalt
sein konnte, dass die Scheiben beschlagen waren, dass mein Körper mir überall wehtat und die Sonne noch lange nicht aufgehen würde. Nach zwei verzitterten Stunden beschloss ich, dass es an der Zeit war, mir die Zähne zu putzen und einen Kaffee zu trinken.

Kapitel 34
    LELLA
    Wieder ein neuer Morgen. Noch bevor ich die Augen öffnete, fing ich an zu beten. »Dio! Ti prego! Lass meinen Plan aufgehen! Nur noch einen kleinen Schubser von dir, Gott, den Rest werde ich selbst erledigen.«
    Nach einem Cappuccino-Frühstück in der Bar am Hafen machte ich mich auf den Weg zur Backstube. Die Tür stand wieder offen, jemand sang dahinter mit wunderschöner Stimme.
    »Io lavoro - e penso a te!«
    Ich trat in den Kuchenduft ein, der mich wie ein molliger Mantel umfing. Ein Junge in Bäckerkleidung stand mit dem Rücken zu mir, er schob Bleche voller Cannoliröllchen in den Ofen und wiederholte in leidenschaftlichen Tönen, dass er arbeite und an mich denken müsse. Ofen auf, ein, zwei, drei... sieben Bleche, dann bemerkte der Bäckerjunge mich und verstummte. Er

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