Das Loch in der Schwarte
mitgenommen zu werden, und seitdem habe ich diese Ecke der Galaxis gemieden.
Ponoristen
benteurer wird es immer geben. Einzelne, versprengte Existenzen, die sich nicht anpassen können. Die ständig unterwegs sind, nie zur Ruhe kommen, die meistens schon einen Fuß angehoben haben. Wenn sie einen Berg sehen, müssen sie klettern, sehen sie einen Abgrund, müssen sie hinuntertauchen, fängt es an zu stürmen, stellen sie sich mit dem Gesicht in den Wind. Sie spüren ein ewiges Jucken. Ab und zu gelingt ihnen das Unmögliche, die Sonne wärmt ihnen plötzlich das Gesicht. Dann fühlen sie sich augenblicklich leer und erschöpft, verzweifelt vor lauter Überdruss. Sie möchten jemanden lieben, doch das Glück ödet sie an. Leben, das muss wehtun. Die Haut muss sich an Kletterseilen und Satteln scheuern. Die Haarmähne muss nach hinten geblasen werden. Die Welt ist zu klein, ständig schrumpft sie, jeder Job und jede Verpflichtung verwandelt sich sofort in eine Uniform, deren Falten und Nähte jucken.
Es ist diese Sorte Mensch, die es einst wagte, sich dem Feuer zu nähern, die anfing, größere Tiere als sich selbst zu jagen, die jede Wüste, jede Gebirgskette und jeden Ozean als eine Herausforderung ansah. Als Kitzel, dem nicht zu widerstehen war.
Als das Weltall sich öffnete, schien es, als wartete es nur auf diese Abenteurer. Anfangs schob ihnen zwar die Technik noch einen Riegel vor. Und die Kosten. Ein Raumfahrzeug kostete so viel wie ein Wolkenkratzer, und die Astronauten, das waren disziplinierte, ausgesuchte, hart gedrillte Marinecorpstypen.
Doch dann begann der Bergbau. Mond und Mars und mehrere der Asteroiden wurden erschlossen, und die Überlandfrachter begannen zu pendeln. Der Beruf des Roaders wurde geboren. Und mit der Zeit, analog zur Entwicklung der Technik und je mehr immer modernere Schiffe und Shuttle in Betrieb genommen wurden, entstand ein wachsender Gebrauchtwarenmarkt für Raumfahrtkram. Plötzlich wurde es für die Allgemeinheit möglich, sich ein Raumschiff zu kaufen. Meistens ein abgenutztes, klapprig und leckend, aber wer geschickt war, konnte das meiste reparieren. Und jetzt füllten sich die Raumschiffdocks mit sehnigen, am ganzen Körper tätowierten Jünglingen, hinkenden Kerlen mit Hemingwaybart, mageren Mädchen mit Pistolenhalfter und Injektionsnarben, stummen Frauenzimmern mit rasierten Schädeln und wegoperierten Brüsten. Alle fummelten an ihrer eigenen Karre herum. Sie lagen auf dem Rücken und schweißten in einem absolut unbequemen Winkel, standen mit einer Lupe im Auge über Heerscharen von Spinnennetzelektroniken gebeugt, sie fluchten und zerrten an irgendwelchen Hitzeschilden, die sich festgebrannt hatten und ausgetauscht werden mussten, sie installierten tragbare Gewächshäuser, Trockenduschkabinen, Gravitationskreisel, Videogeräte mit Pornofilmen, Sonnenwindfänger, Chirurgenausstattungen für die Eigenoperation mit dazugehörigem Lehrbuch, Feuchtigkeitsabsorber, die Schweiß und Körperflüssigkeiten in Trinkwasser umwandelten, und anderes Unentbehrliches für eine lange Reise.
Dann machten sie sich auf den Weg. Allein. Schweigend, fast im Geheimen. Manchmal merkte man nicht einmal, dass es los ging, plötzlich waren sie einfach weg. Verschluckt vom Weltall. Ab und zu hörte man von ihnen. Viele Monate später wurde vielleicht eine rasselnde, verzweifelte Mitteilung vom Notsender aufgefangen:
»Hilfe, Hil… Generator kaputt… irre umh… Wasser bald zu En… helft mir, Hilfe, Hil…«
Die Erde schickte ein Funksignal zu der Notstelle irgendwo im Sonnensystem und rechnete die Retourkoordinaten aus, damit der Betreffende zurückkehren konnte. Aber er ließ nie wieder von sich hören. Die Reserveenergie ging zu Ende. Armer Teufel.
Anfangs waren die Risiken ungemein groß. Wir Roader schüttelten nur den Kopf, wenn wir an ihren schlecht erleuchteten Schrotthaufen im Dunkel des Alls vorbeisegelten, vernarbt vom Weltraumkies und verbrannt von kosmischer Strahlung. In den Führerkabinen konnten wir irgendwelche halb dahindösenden Gestalten erkennen, die Füße in den Cowboystiefeln auf dem Armaturenbrett, die Kopfhörer voll mit Bob Dylan, das Gesicht glänzend vom alten Körperfett. Wir hatten unseren eigenen Spitznamen für sie, nannten sie die Pissetrinker. Ihre Entsalzungsmaschinen waren von der billigen Sorte, und das Wasser, das immer von Neuem aus den Feuchtigkeitsabsorbern wiedergewonnen wurde, bekam bereits nach wenigen Wochen einen deutlichen Beigeschmack
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