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Das Loch in der Schwarte

Das Loch in der Schwarte

Titel: Das Loch in der Schwarte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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würden, wollte ich den Kragen aufschrauben, mir den Helm abreißen und das Vakuum mein Gehirn zerplatzen lassen. Vielleicht würde mein Schiff in ferner Zukunft gefunden werden. Aufgegeben, ohne jede Spur von Besatzung. Und ich selbst würde verschwinden, verschluckt wie das kleinste aller Staubkörner zwischen den Sternen.
    Diese Gedanken durchströmten mich und erfüllten mich mit Verzweiflung. Ich dachte an meine dahingeschiedenen Eltern, die daheim auf der Karelischen Halbinsel im Lehmboden begraben lagen. Ich dachte an meinen schweigsamen, mageren Sohn, den ich vernachlässigt hatte, und sah ein, dass wir nie wieder die Loipe um den See herum laufen könnten. Ich dachte an frisch gefangene Lachsfilets, in Ei und Roggenmehl gewendet, in heißer Butter in der Bratpfanne mit frischem Dill gebraten, dieser göttliche Dillgeschmack.
    Und da entschied ich mich für das Leben. Meine Augen tränten. Wenn ich doch ein Tau hätte. Eine Schnur, den dünnsten Faden, den ich zum Schiff hin schleudern könnte, eine Öse, die sich an einem Vorsprung festhaken könnte … Mit letzter Kraft durchsuchte ich die Taschen meines Raumanzugs. In der Außentasche an der Wade fühlte ich etwas Hartes. Ich zog das Teil im Schein meiner Helmlampe hervor. Es war eine Bierflasche. Eine grünglänzende, noch verschlossene Flasche. Ich hatte sie in der Tasche vergessen, hatte sie vor dem Abflug von einer rothaarigen Kellnerin mit weichen, schweren Hängebrüsten im Raumfahrtterminal bekommen. Wir hatten uns in der Nacht geliebt, sie hatte ihre kräftigen Schenkel um meinen Rücken geschlungen, mich auf der Erde festgehalten. Ich hatte gekämpft, mich nach hinten gebogen und gespürt, wie der Orgasmus kam, als sie ihre Beinschere öffnete. Das Gewicht verschwand von meinem Rücken, diese plötzliche Leichtigkeit. Ich hatte schwerelos mit pochendem Geschlecht geschwebt, im All geschwebt.
    Später hatte sie mir dieses Bier gegeben. Ich hatte es aufbewahrt, ihren schweren, roten Haarschopf gehoben und ihren heißen, feuchten Nacken geküsst. Und nicht einmal zwei Stunden später war ich aufgebrochen.
    Jetzt sehe ich das Schiff in die Nacht davongleiten. Mit einem harten Stoß gegen den Metallgürtel schlage ich den Kronkorken ab und sehe ihn wie eine Münze davontrudeln. Schnell lege ich meinen Daumen im Handschuh auf das schäumende Loch. Dann schüttle ich die Flasche. Richte die Öffnung nach hinten. Und dann lasse ich einen konzentrierten, zischenden Bierstrahl unter dem Daumen hervorschießen. Der Druck ist stark. Mein Körper schwankt. Ich schüttle die Flasche und lasse es wieder zischen, ziele mit dem Strahl. Und fange langsam an zu gleiten. Stück für Stück bekomme ich in der Schwerelosigkeit Fahrt. Eine Rakete. Ich habe mich in eine Weltraumrakete verwandelt…
    Und mit Hilfe seines Bierstrahls gleitet Ruben Stanislawski zurück zum Raumschiff, kehrt zurück von den Toten. Es gelingt ihm, den Riss provisorisch zu kitten, und anschließend liegt er lange Zeit auf dem Boden der Luftschleuse, am ganzen Körper zitternd, während der Schock langsam nachlässt. Ein paar Monate später, als er eine Patience legt, hängt sich der Spielcomputer auf. Als er versucht, ihn neu zu starten, bleibt der Bildschirm schwarz. Ruben gelingt es nicht, das Gerät zu reparieren, den Rest der Reise muss er sich ohne Zerstreuung behelfen.
    Anfangs misst er diesem Problem keine größere Bedeutung zu. Der Spielcomputer ist nur ein Spielzeug, etwas, was er mitgenommen hat, um sich die Zeit zu vertreiben. Der Hauptcomputer des Schiffes ist intakt, und alle wichtigen Systeme funktionieren, wie sie sollen.
    Doch auf der großen Harddisc des Spielcomputers befindet sich die Zerstreuung. Das Andere. Die Unterhaltung. Jede Menge Datenschrott, den er vor der Abreise zusammengesammelt hat. Mengen mehr oder weniger alberner Computerspiele. Schach natürlich. Eine halbe Novellensammlung, an der er hatte weiterschreiben wollen. Tagebücher. Sein altes, eingescanntes Fotoalbum. Erotische Bilder. Alte Briefe von Schulkameraden und Freundinnen, Zeichnungen, die sein Sohn gemalt hat. Dort befindet sich der gesamte Musikvorrat des Schiffes, alles von Madrigalen über die Beatles bis JP Nyströms und Bear Quartet. Zirka viertausend russische, polnische und jüdische Romane. Fast fünftausend Karatefilme, Splatterrollen, Italowestern, der Weltraum greift an, dänische Comedypornos und Monty Python. Das gigantische Nachschlagewerk Homo Encyclopaedia mit interaktiven Bildern der

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