Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
Vom Netzwerk:
länger warten würden, war beschlossen, obwohl Clara nichts dagegen gehabt hätte, vorher noch einmal auf Tournee zu gehen: nach England sogar und dann nach St. Petersburg. »Als unverheiratetes Mädchen bin ich für das Publikum interessanter als als verheiratete Frau«, gab sie zu bedenken. Doch Robert Schumann wollte davon nichts hören. »Heiratsbewilligung – Hochzeit!«, so lautete seine Entscheidung, von der ihn nichts abbringen konnte.
    So verbohrte sich Clara immer tiefer in die Sorge, dass sie voraussichtlich ohne finanzielle Mittel in die Ehe gehen würde. »Du kannst unmöglich ohne eine Aussteuer heiraten«, hetzte auch Marianne, obwohl sie Claras Schwierigkeiten kannte. Es half wenig, dass sie vom stolzen Umfang ihrer eigenen Aussteuer schwärmte, die ihr »der alte Wieck« allerdings gestohlen habe: »Silberbesteck für zwölf Personen, Porzellan, Tischwäsche, Bettzeug. Dazu noch eine Schlafzimmereinrichtung und einen geräumigen Dielenschrank mit Intarsien.« Welche Großzügigkeit für einen einfachen Kantor! Doch auch seine Gemahlin hatte schon ein kleines Vermögen in die Ehe mitgebracht, sodass sie mit erhobenem Haupt in die neue Familie eintreten konnte. »Dass dein Vater dir so im Wege steht, zeigt schon, was für ein Mensch er ist«, hieb Marianne in die gleiche Kerbe wie stets.
    Ich muss Geld verdienen!, dachte Clara jeden Morgen, wenn sie aufwachte. Ich muss Geld verdienen!, dachte sie tagsüber und selbst in der Nacht. Wie beschämend wäre es, ihren künftigen Ehemann um jede kleine Anschaffung bitten zu müssen! Jedes Bürgermädchen ging mit einer Aussteuer und Nadelgeld in die Ehe. Nadelgeld für die einfachen, persönlichen Ausgaben, die das Leben angenehmer machten und für die man sich nicht rechtfertigen wollte: für den Schal, der so gut zum Wintermantel passen würde; für die kurzen, nachmittäglichen Besuche im Kaffeehaus; die Blumen, deren wahren Preis man lieber nicht ins Haushaltsbuch eintrug; das Töpfchen Rouge, von dem niemand zu wissen brauchte; die Pralinen, die die Enttäuschungen desAlltags versüßten. Nadelgeld eben, der Schlüssel zur kleinen Freiheit.
    Wichtiger jedoch war die eigentliche Aussteuer, die Clara noch viel weniger vorweisen konnte. Robert Schumann behauptete zwar, das sei ein Thema, das ihn nicht einmal am Rande interessiere. Clara aber wollte nicht mit leeren Händen daherkommen, noch dazu, da sie doch bereits mehr Geld erspielt hatte als so mancher Konzertmeister in seinem ganzen Leben. Sie hatte Geld verdient, in vornehmen Hotels logiert und schöne Kleider getragen – ein Luxus, den man von einer berühmten Künstlerin erwartete. Sollte sie nun ihren Ehemann bitten, ihretwegen sein eigenes Capital anzugreifen, obwohl die bürgerliche Moral genau das streng verwarf?
    Welch eine Erleichterung bedeutete es daher, als ganz überraschend ein Angebot aus Hamburg eintraf: ein Doppelkonzert in der Philharmonie! Anschließend sei es möglich, teilte man Clara mit, mehrere Termine in Bremen für sie zu arrangieren, falls sie damit einverstanden sei.
    Und ob sie einverstanden war! Noch in derselben Stunde begann sie mit der Planung. Was sollte sie vorbereiten? Brillantes oder mehr Klassisches? Wie froh wäre sie jetzt um Rat gewesen. Nur auf ihre Mutter wollte sie nicht hören, die alles immer nur von ihrem eigenen Vorteil aus beurteilte und Claras Auftritte am liebsten persönlich übernommen hätte. »Nimm mich mit!«, bat sie dann sogar und packte Clara am Arm. »Ich bin deine Mutter. Du hast die Pflicht, auch einmal etwas für mich zu tun.«
    Clara erschrak. Sie hätte gern geantwortet, dass auch Marianne bisher nicht allzu viel für sie geleistet habe. Doch so energisch Clara mit Fremden verhandelte, so hilflos war sie bei den Menschen, die ihr nahestanden. So flüchtete sie sich nur in ein paar nichtssagende Ausreden, die von Marianne sofort abgeschmettert wurden, und gab schließlich nach.
    Marianne lächelte zufrieden. »Du wirst es nicht bereuen«, versicherte sie und bat Clara dann »um einen kleinen Vorschuss«,da die »Garderobe einer Klavierlehrerin« für eine elegante Tournee nicht angemessen sei.
    Clara zögerte. »Aber ich muss sparen, Mama«, wandte sie leise ein. »Du weißt ja, warum.«
    Marianne aber war nicht mehr zu bremsen. Als sie drei Wochen später abreisten, starrten bei der Poststation alle auf die mondäne Dame, die da von ihrer nicht ganz so auffallenden Tochter begleitet wurde.
    Vierhundertneunzig Taler Reingewinn brachte

Weitere Kostenlose Bücher