Das Mädchen, der Koch und der Drache: Roman (German Edition)
wie Holz, aber er macht ein Gesicht, als hätte er sieben Tage und Nächte auf einemNagelbrett schlafen müssen.
»Du bringst kein Attest mit? Gut. Dann sind wir alle gesund. Der Tag fängt golden an«, erklärt Mendy, obwohl sie Lins beleidigtes Leberwurstgesicht am liebsten gar nicht mehr sehen würde.
Kaum ist Lin wieder da, herrscht dicke Luft in der Küche. Was? Seit wann ist Tubai ein richtiger Koch und bedient einen eigenen Herd? Der Junge soll sich gefälligst nur um frittierte Speisen und den Salat kümmern. Wie? Es gibt jetzt eine neue Tageskarte? Von Tubai? Wo ist, verdammt, die Dose mit dem Glutamat versteckt? Was?! Alle Gerichte werden neuerdings ohne Glutamat gekocht? Das kommt überhaupt nicht infrage!
»Was für eine Schande!«, zischt Lin durch die Zähne und macht mit Wender und Teller viel Lärm. Nachdem er eine Suppe abgeschmeckt hat, schüttet er Tubai die restliche Brühe im Löffel mit verächtlichem Blick vor die Füße. Erst als Mendy ihm droht, Beschimpfungen und Beleidigungen demnächst mit Lohnabzug zu bestrafen, wird er etwas ruhiger.
Gegen Mittag geschieht etwas Merkwürdiges. Ein gut gekleideter Chinese mit einem winzigen schwarzen Dreiecksbart an der Unterlippe betritt das Restaurant, setzt sich in eine Ecke und lässt sich ein üppiges Essen servieren. Als er fertig ist und Mendy fragt, ob er noch einen Wunsch habe, bittet er nicht um die Rechnung, sondern verlangt, den Besitzer zu sprechen. Die junge Frau erklärt ihm, dass ihr Vater nicht da ist und sie die Vertreterin sei.
Der Mann mustert sie von oben bis unten, als wäresie ein Bündel Stroh vom vergangenen Jahr, und schüttelt unmerklich den Kopf. Mendy spürt eine eisige Kälte von diesem Mann herüberschwappen und hält wie erfroren den Atem an. Als sie sich zwingt, seinen Blick zu erwidern, hat der Mann sein Interesse an ihr schon verloren. Seine Augen wandern ins Innere des Restaurants und bleiben an Tubai hängen, der gerade einen Nudelteller in die Durchreiche stellt. Irgendetwas an diesem Anblick scheint den Fremden zu reizen, sodass er den Kopf schräg hält, um mehr vom Gegenstand seines Interesses zu sehen.
Was ist das für ein seltsamer Blick? Wäre der Fremde ein Metzger, so könnte man glauben, er habe ein scharfes, gut geschliffenes Messer gesehen. Oder betrachtet er Tubai als Schlachtvieh? Mendy läuft ein Schauder über den Rücken. Sie spürt instinktiv, dass dieser Mann aus einer Welt kommt, vor der ihr graut. Sie stellt sich vor ihn und versperrt seinen Blick in die Küche.
»Haben Sie noch einen Wunsch?«, fragt sie erneut.
Der Mann greift in die Innentasche seiner Jacke und holt eine Karte heraus, die er Mendy über den Tisch schiebt. Es ist aber keine Kreditkarte, sondern eine Art Visitenkarte. Ein dreieckiges Stück Karton, das irgendwie dem Spitzbart des Fremden ähnelt. Und es steht auch kein Name darauf. Man sieht nur einen Zweig mit drei verschiedenen Blättern. An der Basis des Dreiecks sind drei Zacken eingeschnitten.
Während Mendy die Karte noch hin und her dreht und vergeblich nach einer Erklärung sucht, steht der Mann auf. »Grüßen Sie den Besitzer von mir. Er kenntmich gut«, sagt der Mann mit deutlichem Kanton-Akzent. »Und das Essen war nicht das Übelste, was ich in dieser Woche vorgesetzt bekommen habe.« Dann greift er nach seinem Mantel.
»Und die Rechnung?«, fragt Mendy. »Soll ich …«
Der Mann zeigt mit dem Finger auf die Karte, die Mendy noch in der Hand hält. Seine Bewegung ist kalt, hart und bedrohlich. Es ist, als hätte er eine Pistole auf Mendy gerichtet. Sie presst die Lippen zusammen und schluckt.
Allein im Büro und hinter geschlossener Tür greift sie zum Telefon und wählt die Handynummer des Vaters in China. Boss Guan ist von Stimmengewirr und Lärm umgeben und braucht eine Weile, bis er versteht, wer ihn da überraschend anruft. Auch Mendy kann ihn kaum verstehen. Aber als er von dem Kärtchen mit den drei Blättern hört, sucht er sich eine ruhige Ecke, um ungestört telefonieren zu können. Er fragt nach der Anzahl der Zacken in der Karte und murmelt etwas Unverständliches, dann weist er die Tochter an, das Kärtchen an seine Frau weiterzugeben. Die werde das Notwendige tun. Eine Erklärung gibt er Mendy nicht. Als sie danach fragt, sagt der Vater, das sei eine alte Rechnung. Sie brauche sich um die Details nicht zu kümmern. Dann bricht der Kontakt ab.
Guans Ehefrau Yeye hat ein eigenes Büro für die Verwaltung der Immobilien und Mietshäuser, die
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