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Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman

Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman

Titel: Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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überlegt er sich’s anders.
    »Kriegt hier jeder so eine trockene gelbe Begrüßung?« Der Mann zupft sich ein Blatt aus dem Haar, setzt die Sonnenbrille ab und lächelt geschmeidig. »Wann streuen Sie Rosenblätter, mein Fräulein?«
    Peipei schaut verdutzt auf. Vor ihr steht ein Mann in einem Anzug, wie ihn sich Boss Guan niemals gönnen würde. Der muskulöse, durchtrainierte Körper, der in diesem teuren Anzug steckt, lässt an einen Boxer oder Offizier denken. Im Gesicht des Mannes sind Macht, Reichtum und animalische Wildheit zu lesen. Ein ungewöhnlicher Mann. Ein Mann, den eine hübsche Frau wie Peipei nicht vorbeigehen lässt. Dann sieht sie ein gelbes Blatt an seinem Ohr kleben und fängt an zu kichern. Aber zu sagen vermag sie nichts.
    Der Mann setzt die Sonnenbrille auf und wirft einen Blick nach oben. »Aha«, sagt er. »Die Strahlende Perle . Das ist doch das Restaurant von Boss Guan. Ich wollte ihn gerade besuchen.«
    Peipei öffnet die Tür, die ohnehin schon halb offen steht, noch ein Stückchen weiter, sagt aber immer noch nichts. Ihr Hals tut jämmerlich weh. Der Mann soll an ihr Gesicht denken, nicht an ihre kaputte Stimme, wenn er wieder allein ist. Immerhin kann sie noch kichern und dem Mann das Gefühl geben, er sei amüsant.
    Der Fremde tritt ein und sieht sich mit einem Erobererblick im Restaurant um. Mitten im Raum steht noch ein weiteres Mädchen. Mit Staunen betrachtet er das feine Gesicht und den schlanken Körper. Donnerwetter, hat Boss Guan solche Schönheiten bei sich versammelt? Aber an wen erinnert ihn dieses Mädchen? Seine Gedanken gehen Jahrzehnte zurück zu dem kleinen Dorf in Fujian und dem Mädchen unter dem Surenbaum, das er damals so gern geküsst hätte.
    Mendy hat den Besucher noch gar nicht bemerkt. Ihre Augen sind fest geschlossen. Sie konzentriert sich auf ihre Tai-Chi-Übung. Sie ist ganz steif geworden vom langen Sitzen über der Seminararbeit ihrer Freundin. Plötzlich lässt eine tiefe, samtige Stimme sie hochfahren. »Bist du echt?«
    Mendy reißt die Augen auf. Ein Fremder steht vor ihr. Für einen Moment scheint sein Blick sie mit flammender Gier zu versengen. Erschrocken springt sie zwei Schritte zurück und flüchtet sich hinter die Theke.
    Der Mann nimmt seine Sonnenbrille ab, schiebt sich den Bügel zwischen die Zähne und mustert die junge Frau mit dem hellen Gesicht und dem schwarzen Zopf ungeniert, als wäre sie eine Skulptur. So etwas Wunderbares gibt es hier also. Während das kokette Mädchen am Fenster wahrscheinlich eine fast schon zu viel gebrauchte Frau ist, scheint diese Blume hier ganz unberührt. »He, weißt du, wo Boss Guan sich versteckt? Er muss doch hier irgendwo sein.«
    Schon hört er die Stimme der Schönen: »Boss Guan ist nicht da. Kommen Sie an einem anderen Tag wieder.«
    »Doch, er ist schon da«, krächzt Peipei, »aber hinten in seinem Sonnenzimmer.« Die raue Stimme scheint den Mann zu irritieren, er zuckt leicht zusammen. »Nur eine Erkältung«, sagt Peipei und legt entschuldigend die Hand auf die Kehle. »Kommen Sie. Ich bringe Sie zu ihm.« Sie führt ihn aus dem Restaurant und begleitet ihn über den Hof zum Hinterhaus.
    Kurz darauf ist sie wieder bei Mendy. Mit geschürzten Lippen und neidischem Unterton sagt sie: »Mendy, ich glaube, du hast einen neuen Verehrer.«
    Der Mann soll ihr Verehrer werden? Der Mann, der so merkwürdig lächelt, als ob er ein Fangnetz hinter dem Rücken bereithielte? Nein, sicher nicht. Mendy schüttelt den Kopf. »Der fette Gangster mit den Mückenaugen? Der kann mir gestohlen bleiben. Willst du ihn mir nicht abnehmen, Schwester? Als Lohn für die Korrekturarbeit?« Mendy kichert übertrieben laut, um die unbestimmte Angst zu verdrängen, die sie plötzlich ergriffen hat.

Kapitel 3
    Die Entdeckung der Schaukelprinzessin

    Boss Guan steht noch immer im Sonnenzimmer. Bald wird das Glücksspiel beginnen. Wer mit von der Partie ist, kann nach zwei Stunden um Tausende oder sogar Hunderttausende reicher sein – oder ärmer. Boss Guan achtet allerdings darauf, dass niemand seine Existenz ruiniert. Und Ehefrauen dürfen auch nicht als Einsatz gebracht werden.
    Heute hat Guan drei alte Bekannte eingeladen. Während er auf sie wartet, klingelt das Telefon. Er hat den Hörer noch nicht ganz am Ohr, als er Mendys jubelnde Stimme hört: »Papa, ich wollte dir nur schnell Bescheid sagen! Ich kriege die Stelle. Ich werde von der größten deutschen Bank eingestellt! Mein erster Job!«
    »Gratuliere, mein

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