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Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman

Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman

Titel: Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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großes Mädchen«, sagt der Vater erfreut. »Kauf dir zwei schöne Kostüme, die du bei deiner Bank anziehen kannst, und gib mir die Rechnung. Ich will, dass du ordentlich aussiehst, wenn du da anfängst.«
    Vor sechs Jahren hat er die Tochter nach Deutschland geholt, weil ihre Mutter, seine erste Ehefrau, an Brustkrebs gestorben war. Mendy war damals knapp achtzehn und hatte in China schon ein halbes Jahr studiert. Nach ihrer Ankunft lernte sie fleißig Deutsch und schrieb sich so schnell wie möglich an der Freien Universität ein. Auch der Vater bekam bald zu spüren,dass sie einen starken eigenen Willen besitzt. Sie war bei ihrer Mutter aufgewachsen, hatte den Vater jahrelang nicht gesehen und wollte deshalb auf keinen Fall mit ihm und seiner neuen Familie zusammenwohnen.
    Natürlich hatte er Schuldgefühle gegenüber Mendy und ihrer Mutter und wollte die Tochter auch nicht dauernd weinen sehen. Ein kleines Appartement in der Nähe wurde gemietet, und die Tochter zog aus der Wohnung über dem Restaurant aus. Vielleicht war es gerade diese von ihr ertrotzte Distanz, die ihn zu einem strengen Vater machte. Er gab ihr wenig Geld für den Lebensunterhalt, ließ sie dafür ständig im Restaurant arbeiten und setzte sie unter Druck, damit sie möglichst schnell fertig wurde. »Ich hatte nur zweihundert Mark in der Tasche, als ich nach Deutschland kam. Und das Studium hier war eine harte, entbehrungsreiche Zeit«, sagte er fast jeden Tag. »Aber ich hab’s geschafft.« Zu seiner Überraschung ist sie aber nicht nur eine tüchtige Kellnerin geworden, sondern hat auch ihr Studium mit Auszeichnung bestanden. Jetzt ist er entsprechend stolz auf sie.
    Jemand klopft an die Tür. Nicht das mit den Geschäftsfreunden vereinbarte Klopfzeichen, sondern dreimal kurz, einmal lang. Das muss Peipei sein. Warum ist sie zurückgekommen? Will sie noch mehr Geld? Eins, zwei, drei – vier. Er hat keine Lust, aufzumachen. Aber wenn sie noch lange dasteht, gibt es womöglich einen Skandal. Er reißt die Tür auf und will schon eine scharfe Bemerkung machen, da sieht er den Mongolen, der vor der Tür steht.
    »Boss Hong! Welcher Wind hat Sie hergeweht?«,sagt er überrascht und streckt dem elegant gekleideten Mann, der fast einen Kopf größer ist, gespielt überschwänglich die Hand hin.
    Der Fremde ist Boss Guan ziemlich unheimlich. Er kennt ihn erst seit zwei Monaten. Bei einem Empfang der Industrie- und Handelskammer sind sie einander vorgestellt worden. Hong Litong sei ein reicher Geschäftsmann aus Singapur, wurde ihm mitgeteilt, und suche in Berlin nach neuen Geschäftspartnern. Aber als Boss Guan den Fremden auf Englisch begrüßte, stellte sich bald heraus, dass der Mann nur einen äußerst beschränkten Wortschatz besaß. Also hatten sie ihr Gespräch auf Chinesisch fortgesetzt, was dem Neuankömmling viel besser gefiel. Er sprach ein sehr gepflegtes Mandarin, und seine Körpersprache und Mimik zeigten deutlich, dass er kein gewöhnlicher Geschäftsmann war. Boss Guan fühlte sich eher an einen befehlsgewohnten Offizier oder einen Beamten erinnert. Wahrscheinlich kam der Mann aus Peking. War er ein abtrünniger Kader, der einen Haufen Geld in den Westen gebracht hatte, oder reiste er gar im Geheimauftrag der Regierung? Ein undurchsichtiger, ein gefährlicher Mann, von dem sich Boss Guan so schnell wie möglich wieder verabschiedet hatte. Und jetzt steht er plötzlich hier mit Peipei vor der Tür. Mit scharfen Worten schickt der Restaurantbesitzer die Kellnerin fort.
    Peipei geht möglichst langsam die Treppe hinunter und bleibt sogar in der Haustür noch einen Augenblick stehen, um zu hören, was sich die beiden Männer zu sagen haben.
    »Nun ja, der goldene Wind, den du aus deinem Ärmel geschüttelt hast, lockt mich her«, sagt Hong Litong lächelnd. »Dem goldenen Wind folgt ja in der Regel ein goldener Regen, nicht wahr?«
    »Der kommt aber sicher aus Ihrem Ärmel«, lächelt Boss Guan. Da der Gast nicht erkennen lässt, was er will, versucht Guan, ihn loszuwerden. »Darf ich Ihnen Tee anbieten?«, fragt er und macht dem Besucher mit einer Geste klar, dass er ihn zum Restaurant zurückführen will.
    Doch der Mongole legt ihm die Hand auf den Arm: »Na, mein Freund, willst du mir nicht dein Sonnenzimmer zeigen? Ich habe schon so viel davon gehört.«
    In diesem Augenblick kommt auch schon der erste Spieler die Treppe herauf, und Guan bleibt nichts anderes übrig, als die beiden hereinzubitten. Der Mongole lobt die üppige

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