Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman
lang«, sagtder Vater. »Das ist mein Geschenk für dein Erwachsensein. Du brauchst mir keine Pachtgebühr zu zahlen, aber für alle Kosten musst du selbst aufkommen. Machst du Gewinn, wird das Besitzverhältnis verlängert. Machst du Verlust, übernehme ich das Restaurant wieder.«
Mit einem Siegerlächeln öffnet Mendy ihre Wohnungstür. Doch was sie sieht, lässt ihr Lächeln gefrieren. Tubai sitzt zusammengesunken auf seinem Sofa. Sein Kopf hängt kraftlos herunter und berührt fast die Knie. Neben ihm stehen ein kleiner Koffer und ein gepackter Rucksack bereit.
»Was machst du da? Willst du wieder weg?«, fragt Mendy erschrocken.
Tubai hebt den Kopf. Er sieht aus wie ein Mann mit zertrümmertem Rückgrat. Panisch hält sie ihn an der Schulter fest, als könnte er jeden Augenblick aus der Wohnung verschwinden. »Was ist passiert? Ist jemand gestorben?«
»Ich muss morgen nach Potsdam zurück«, sagt Tubai mit bleierner Stimme. »Die Ausländerbehörde hat es herausgekriegt.«
»Was denn?«, fragt Mendy.
»Dass ich falsche Angaben gemacht habe. Ich war doch gar nicht verheiratet. Deshalb habe ich so getan, als ob ich mein Bruder wäre. Aber jetzt wissen sie, dass der mit Frau und Kind noch in China ist.«
»Und wer bist du?«
»Ich heiße Tudong.«
Mendy steht wie eine Salzsäule da. »Warum hast dumir das nicht gesagt?«, fragt sie tonlos.
»Du bist so rein wie die weißen Wolken am Himmel. Ich habe mich oft geschämt, weil ich so ein grober Klotz bin.« Tubai vergräbt das Gesicht in den Händen. Nur die zitternden Haarspitzen zeigen, wie verzweifelt er ist.
Mendy setzt sich auf das Sofa. Ihr Gesicht ist finster. »Und warum hast du die Behörde angelogen?«
»Ich wollte weg aus der Heimat. Die rattenfetten Investoren dort haben mein Restaurant einfach abreißen lassen. Und die Lokalbehörden haben mich zwei Tage eingesperrt, weil ich protestiert habe. Das war der wahre Grund meiner Flucht. Aber der Schlangenkopf, der mich hierhergeschleust hat, sagte, ich sollte mir lieber eine Geschichte über Ein-Kind-Politik und Behördenwillkür ausdenken. Die Deutschen hätten ein Herz für solche Geschichten. Da mir nichts Besseres einfiel, habe ich einfach die Geschichte meines älteren Bruders genommen.«
»Und wie soll ich dich jetzt nennen?«
»Gib mir einen Namen. Ich werde immer antworten, wenn du nach mir rufst.«
»Gut, für mich bleibst du Tubai.« Mendys Stimme bleibt unterkühlt. »Gibt es noch etwas, das ich wissen muss?«
»Der Anwalt hat gesagt, er kann zwar Einspruch einlegen, aber dann muss ich sehr wahrscheinlich in den Knast, um auf den Prozess zu warten.« Tubai reibt sich die Wangen und seufzt. »Ich glaube, die Flucht war von Anfang an falsch. Jetzt will das Schicksal wieder geradebiegen, was ich krumm gemacht habe.« Tubais Stimme zittert. »Ich will nicht in den Knast. Dazu bin ich doch nicht hierhergekommen. Lieber lasse ich mich freiwillig abschieben.«
»Was? Nach all den Jahren willst du nach China zurück? Glaubst du, die warten auf dich und bereiten dir einen freudigen Empfang? Wahrscheinlich werden sie dich vom Flughafen direkt in den Knast bringen, als einen Verräter.«
»Das wird wohl mein Schicksal sein. Ich muss die Suppe auslöffeln, die ich mir eingebrockt habe.« Tubai ringt die Hände, und sein Gesicht ist von Kummerklumpen erfüllt wie eine Bittermelone.
Eine Weile schweigen die beiden. Als Mendy den Mund wieder aufmacht, ist ihre Stimme voller Traurigkeit. »Was ist mit mir? Willst du mich allein zurücklassen?«
»Nein, niemals möchte ich dich verlassen. Aber was kann ich gegen einen Abschiebungsbefehl tun?« Als wäre ein Damm gebrochen, beginnt er nun doch zu weinen. »Ich habe all die Jahre ausgehalten, nur weil du da bist. Und nun ist es aus. Nun werde ich doch abgeschoben.«
Mendy springt auf. In ihrem Kopf dröhnt es, als redeten mehrere Stimmen gleichzeitig. Wut? Trauer? Enttäuschung? Ratlosigkeit? Alles brandet in ihrer Brust auf. Doch für Gefühlsausbrüche ist keine Zeit. Sie muss ganz nüchtern sein, wenn sie einen Ausweg finden will.
Sie lässt den Mann mit seinem Schluchzen allein und schleppt sich in die Küche. Lange steht sie am Fenster und starrt in die Bäume, bis sie eine Idee hat:Sie wird Oswald anrufen und ihn um Rat bitten. Deutschland ist ein Rechtsstaat. Also muss sie einen Rechtsweg finden, um Tubai zu behalten.
Sie greift nach dem Hörer. Was für ein Glück! Oswald meldet sich gleich am Telefon. Nach einem langen Gespräch hat
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