Das Mädchen, der Koch und der Drache - Roman
ihn weg. »Fass mich nicht an. Merkst du nicht, dass ich stinke?«
Wie von einem Stromschlag getroffen, zieht Tubai die Hand zurück. Ratlos bleibt er hinter ihr stehen. Mendy sieht ihm sein Zaudern an und schraubt die Härte in ihrem Tonfall noch höher. »Du denkst an deine Portion Liebe, nicht wahr? Heute gibt’s nichts mehr zu holen. Heute bin ich so leer wie ein blutloses Blatt Papier. Lass mich jetzt schlafen.« Sie zieht mit viel Lärm den Vorhang zu und lässt sich auf die Matratze fallen.
Tubai bedeckt die Augen mit den Händen und krallt die Finger in seine Kopfhaut. Die Frau ist wie ausgewechselt. Bis gestern war sie noch eine sanfte Schönheit wie aus der klassischen Malerei, heute ist sie ein müdes Stück Fleisch und riecht, als hätte sie in Bier und Schweinezungen gebadet. Was für ein Cocktailempfang kann das gewesen sein? »Bei wem bist du gewesen?«, fragt er kleinlaut.
»Das geht dich nichts an.« Sie nuschelt immer mehr, als würde sie gleich einschlafen. »Wenn du an meiner Haut schnuppern willst, dann warte gefälligst so lange, bis ich mich gewaschen habe. Ein Monat ist doch nicht lang. Jetzt geh und lass mich allein durch die Hölle gehen.« Sie dreht sich im Bett um, kurz darauf sind röchelnde Atemzüge zu hören.
Sorgen und Zweifel nagen an ihm. Dennoch verlässt er wie geheißen die Wohnung. Ziellos streicht er in der Stadt umher. Was hat er denn von diesem Leben? Ist er dazu verdammt, auch bei Mendy den Hund zu spielen?
Als er den Kopf hebt, merkt er, dass er wieder einmal im Tiergarten gelandet ist. Er klettert auf eine Linde und versteckt sich in ihrer üppigen Krone. Von hier aus kann er über den Kanal hinweg die Kamele im Zoo sehen. Er ist gern mit den schweigsamen Tieren allein, wenn er sich einsam fühlt.
Kapitel 14
Die Übergabe
Am Abend sind alle Formalitäten erledigt, und der Geschäftsmann Guan Baohan wird aus der Untersuchungshaft entlassen. Als er, von Yeye gestützt, die Wohnung betritt, starrt Michael ihn an und will sich dem Vater nicht nähern. Mit den ungepflegten, spärlichen Barthaaren, der schlaffen Haut und seiner unter den linken Arm geklemmten Krücke ist er eine fremde Erscheinung geworden. Erst auf das Drängen der Mutter hin stößt der Junge ein zaghaftes »Papa« hervor.
Aus der Küche kommt ein angenehmer Duft. Aus einem Topf hört man leises Blubbern. Im nächsten Augenblick erscheint Mendy mit einem Lächeln, sie wischt sich die Hände an ihrer Schürze ab. Über einen halben Monat hat sie den Vater nicht mehr gesehen. Als sie seinen gekrümmten Rücken und die schlotternde Kleidung an seinem Körper erblickt, trüben sich ihre Augen. »Wie schön, dass du wieder zu Hause bist, Papa.« Sie nimmt ihm die Krücke ab und hilft ihm, auf seinem alten Stuhl Platz zu nehmen. »Du bist dünner geworden, Papa. Aber das wird sich bald ändern.«
Die Heimkehr soll in der Familie gefeiert werden. Um ihren Vater nicht zu ärgern, ist Tubai von Mendy rechtzeitig aus der Wohnung geschickt worden. So zählen sie am Tisch nur vier Köpfe. Da das Kind nichtviel beitragen kann, müssen die beiden Frauen ordentlich um den Mann herumzwitschern, um eine fröhliche Atmosphäre zu schaffen.
Sie lächeln und bedienen ihn mit Eifer. Doch das Familienoberhaupt scheint keinen Appetit zu haben, jedenfalls schenkt er dem reichlich gedeckten Tisch keine Beachtung und hält die Augen geschlossen. Erst auf Drängen der Ehefrau lässt er sich eine Schale Suppe auf seinen Teller stellen. Mit gerunzelter Stirn führt er ein paar Löffel Brühe zum Mund, als wäre es bittere Medizin. Doch dann wird sein Gesicht milder, und er leert wortlos die Schale. Die beiden Frauen wechseln einen erleichterten Blick und loben wie aus einem Mund seinen Appetit. Nachdem er drei Schalen Suppe hintereinander gegessen hat, sind sie in bester Stimmung. »Papa, wenn du solchen Appetit hast, wird auch dein Bein bald gesund werden«, prophezeit Mendy.
»Wer hat denn die Hühner-Lotuswurzel-Suppe gekocht?«, will der Patriarch wissen.
»Ich«, meldet die Tochter stolz.
»Du? Um so etwas zustande zu bringen, musst du noch mindestens zehn Jahre üben«, erwidert der Vater mit ruhiger Stimme.
»Ich habe Mendy ein wenig geholfen«, behauptet die Ehefrau. Als sie seine herablassende Miene sieht, fügt sie schnell hinzu: »Das Rezept habe ich mir von Koch Lin sagen lassen.«
»Dein Kochniveau gleicht einer dreibeinigen Katze. Und du willst dich als Lehrmeisterin ausgeben?« Der Mann grinst ein wenig
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