Das Mädchen und die Herzogin
Eichengebälk, botohne weiteres Raum für zweihundert Tische und glich mit ihren spitzbogigen Maßwerkfenstern mehr einer Kirche als einem Festsaal. Jetzt war sie herausgeputzt mit Fahnen und bunten Girlanden. Überdies hingen Wände wie Säulen voll mit prächtigen Hirschgeweihen, an deren Enden Kerzen aufgesteckt waren. Und es roch eindeutig nach Pferdemist.
Ihr Brautführer, Graf von Werdenberg, trat an ihre Seite.
«Da staunt Ihr, nicht wahr? Allein die Dürnitz verrät schon die beiden größten Leidenschaften der Wirtemberger: die Jagd und das Turnier. Siebenhundert Geweihe sind es, ich hab sie selbst gezählt. Natürlich stehen sie auch für das Wappenbild des Hauses.»
«Und dieser Stallgeruch?», fragte sie, ohne dass es sie wirklich interessiert hätte. Noch immer war sie verärgert über Ulrichs Zurückweisung vorhin im Brautbett.
«Im Winter und bei schlecht Wetter finden hier die Ritterspiele statt. Herzog Ulrichs Turniere sind weitberühmt. Dort oben auf der Galerie, wo jetzt die Musikanten stehen, wimmelt es dann von Zuschauern.»
Es dauerte seine Zeit, bis alle Gäste zu ihren Tischen fanden, geleitet von einer Schar Edelmänner, die mit der Ordnung bei diesem Festbankett betraut waren. Sabina warf einen raschen Blick auf Ulrich, der sich wieder entspannt hatte und jetzt mit einem Lächeln der Zufriedenheit das Ganze begutachtete. Getrennt nach Rang und Stand fanden sich die Gäste an den kunstvoll gedeckten Tischen zusammen – hier die Junker, Ritter und Freiherren, da die Grafen, dort die Geistlichen. Tische wie Anrichten, Sessel wie Stühle waren mit rotem Samt bedeckt, die Fürstentafeln obendrein mit Goldborten verziert. Diese standen erhöht auf einem Holzpodest, deren festlichste unschwer als die Ihre auszumachen war. Über dem Tisch spannte sich ein rotgoldener Baldachinmit den wirtembergischen Wappen, in Perlen und Rubinen gestickt, das Tafelsilber funkelte im Glanz der Lüster.
Am anderen Ende der Halle, unübersehbar im Abseits, saßen zwei Handvoll Stadtbürger, der schwarzen Kleidung nach zu urteilen. Wahrscheinlich eine Abordnung der Landschaft, der bürgerlichen Vertreter von Stadt und Amt, die sich zu diesem Ehrentage die Kurzschwerter gegürtet und Haare und Bart gestutzt hatten. In einem der Männer erkannte Sabina den Bürgermeister der Stadt, der sich als Quartiergeber ihrer Brüder vorgestellt hatte. Sabina hatte Wilhelm angesehen, wie sehr es ihm missfiel, in einem engen Stadthaus statt im Schloss untergebracht zu sein. Andrerseits: Diese fast schon kümmerlich zu nennende Burganlage bot in der Tat viel zu wenig Platz für die standesgemäße Unterbringung so vieler Gäste. Sabina war froh, dass sie wenigstens ihre Mutter ins herzogliche Frauenzimmer aufnehmen durfte.
Werdenberg geleitete Sabina an die fürstliche Tafel. Da sah sie ihn wieder: den Unbekannten mit den tiefblauen Augen! Er war tatsächlich noch größer als Ulrich und strahlte eine freundliche Gelassenheit aus, die sie an ihrem Gemahl jetzt schon zu vermissen begann. Gerade schritt der Fremde die Anrichten ab, auf denen die Krüge für Wasser und Wein bereitstanden, und hielt einen kurzen Moment inne, als er sie entdeckte. Er lächelte ihr mit einer leichten Verbeugung zu, und sie spürte, sein Lächeln kam von Herzen.
«Kennt Ihr diesen Mann, Graf von Werdenberg?»
«Selbstredend, Euer Hochgeboren. Das ist Dietrich Speth Ritter von Zwiefalten, ein treuer Freund und Gefolgsmann unseres Herzogs. Seit an Seit hat er mit ihm in den Schlachten gekämpft und ist dafür zum Erbtruchsess befördert worden.»
Werdenberg rückte Sabinas Stuhl vom Tisch weg, damit siePlatz nehmen konnte. Ihr und ihrem Gemahl war der Ehrenplatz am oberen Ende der Tafel bestimmt, doch Ulrich hatte offenbar keine Eile. Parlierend stand er mit einigen jungen Kavalieren und Edelfrauen am Erkerfenster.
«Speths Familie gehört zu den reichsten und angesehensten hier im Lande», fuhr Werdenberg fort. «Ihr müsstet ihn eigentlich kennen. Seit vielen Jahren ist er auch in bairischen Diensten. Euer durchlauchtigster Herr Vater hatte ihn seinerzeit zum bairischen Rat auf Lebenszeit ernannt, so sehr hat er ihn geschätzt. Soweit ich weiß, ist Dietrich Speth nach Eures Vaters Tod wieder ins Wirtembergische zurückgekehrt, mit Verzicht sogar auf sein jährliches Salär.»
Er verneigte sich tief. «Ich darf mich nun verabschieden, in meiner Eigenschaft als Brautführer. Fürderhin werden sich die Doctores Ambrosius Volland und Johannes
Weitere Kostenlose Bücher