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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Was für eine Brüskierung ihrer Person!
    Aufgebracht schob sie ihren Teller von sich. Sie konnte all diese Delikatessen nicht mehr sehen, diese von Fett glänzenden Kapaunen, die mit Blattgold überzogene Täubchen an gesüßten Pastinaken, die glibberige Sulz von jungen Spanferkeln, die Fleischbrocken wahlweise in Pfeffer, Ingwer oder Rosinenbrühe, all die Krebse, Rehkeulen, Enten, Hechte – ekelhaft! Sie schloss die Augen und holte tief Luft.
    «Ist Euch nicht wohl, Euer Liebden?»
    Es war Ulrich, der dies mit ehrlicher Besorgnis fragte und damit zum ersten Mal während des Banketts das Wort an sie richtete.
    «Es ist nichts. Ein wenig zu viel gegessen vielleicht.»
    «Ihr habt recht.» Er schleuderte seine angenagte Entenkeule unter die bettelnden Hunde, die sich sofort zu raufen begannen. «Lasst uns pausieren mit dem Essen. Singen wir.»
    Ein wenig betrunken wirkte er, als er sich jetzt erhob und einen der Lautenisten heranwinkte.
    «Spiel auf – ein Trinklied.»
    Er füllte einen Prunkpokal randvoll mit Wein, nahm einen tiefen Schluck, küsste seine Gemahlin mit einem strahlenden Lächeln, bedeutete ihr, ebenfalls zu trinken und den Pokal in ihrer Tischrunde weiterzureichen. Dann begann er zu singen, mit einer überraschend kräftigen Stimme, die mühelos und ohne Fehl drei Oktaven umspannte, und in der so viel Gefühl mitschwang, dass es einen Zerberus erweicht hätte. Sabina starrte Ulrich an: Wie konnte ein Mensch sich so unvermittelt wandeln!
    Der ganze Saal sang mit, und wer die Worte nicht kannte, der summte oder schlug mit Füßen und Händen den Takt. Auch am Nebentisch, der Tafel ihres Bruders, wo jener Ritter Dietrich Speth die ehrenvolle Aufgabe des Auftragens übernommen hatte, hielt man mit Essen inne. Wilhelm schien ihn im Übrigen gut zu kennen. Bei nahezu jedem Schluck, den er nahm, trank er dem Ritter zu.
    Drei Lieder später schickte Ulrich den Lautenisten an eine andere Tafel, zerrte einen Holzschemel zwischen sich und Sabina und rief Dietrich Speth heran.
    «He, alter Freund! Was treibst du dich den ganzen Abend in fremden Fürstenhäusern rum?» Ulrich reichte ihm einen gefüllten Becher. Wie durchgekaut rollten ihm die Worte von der Zunge. «Setz dich her. An meiner Seite ist dein Platz, an meiner.»
    Der Edelmann lächelte gutmütig, blieb aber stehen.
    «So soll es sein, wenn Herzog Wilhelm es erlaubt. Vergesst nicht, geliebter Herr und Freund – ich stehe immer noch auch in bairischen Diensten, und zwar auf Lebenszeit.»
    «Papperlapapp, was hast du mit den Bajuwaren zu schaffen? Hab ich dir schon meine schöne Gemahlin präsentiert?»
    «Nein, Euer Liebden.»
    Dietrich Speth verneigte sich vor Sabina. «Ritter Dietrich Speth von Zwiefalten. Ich bin überglücklich, Euch als meine gnädige Fürstin und Herrin hier in Wirtemberg willkommen heißen zu dürfen. Zumal ich», er ließ sich auf dem Schemel nieder, «Euer Hochgeboren bereits als Kind und junges Mädchen kennenlernen durfte. Drei, vier Male sind wir uns begegnet, in Eurer Alten Veste noch. Auch wenn Ihr Euch an meine Wenigkeit nicht erinnern werdet.»
    Was für ein Blau aus diesen Augen leuchtete! Sabina war, als würde sie an einem Spätsommerabend auf den Spiegel des Starnberger Sees blicken. «Vielleicht – ich bin mir nicht sicher – mag sein», begann sie zu stottern. Dann schüttelte sie den Kopf. «Ich denke, ich war zu jung. Dem Hofstaat meines Vaters hatte ich damals wohl recht wenig Aufmerksamkeit geschenkt.»
    «Eher den Pferden, nicht wahr? Seid Ihr noch immer eine so tollkühne Reiterin?»
    Jetzt lachte Sabina. «Woher wisst Ihr das? Nein, nein, ich denke, diese Zeiten sind vorbei.»
    «Sagt das nicht, Euer Fürstlich Gnaden. Hier im Marstall findet Ihr die herrlichsten Reitpferde, über Generationen aus edelstem Geblüt gezüchtet. Hans von Hutten ist da Euer Mann. Wenn all die Feierlichkeiten ein Ende haben, zeige ich Euch die schönsten Strecken zum Ausreiten. Einverstanden?»
    «Gern.» So gab es mit den Pferden wenigstens einen Lichtblick hier in der Residenz. Und mit Dietrich Speth von Zwiefalten einen weiteren, schoss es ihr durch den Kopf.
    Brüsk wandte sie den Blick ab, da sie genau spürte, dass sieerrötet war. Sie schenkte sich ein wenig Wasser ein. «Und Ihr, werter Ritter – warum seid Ihr nach meines Vaters Tod nicht in München geblieben?»
    «Nun   – Schwaben ist nun mal meine Heimat, das lässt sich nicht aus dem Herzen reißen. Und Eurem Gemahl bin ich seit seinen Jugendjahren eng

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