Das magische Buch
entdecke ich sie. Sie will gerade in den Bus steigen.
»Lucía! Lucía!«, rufe ich, so laut ich kann. »Warte!«
Sie hat mich gehört und bleibt unschlüssig in der Tür des Busses stehen. Ich laufe zu ihr und sage:
»Komm, beeil dich! Mein Vater möchte mit uns sprechen!«
»Was?«
»Ja, jetzt gleich! Wir sollen zu ihm kommen«, wiederhole ich.
»Wozu? Was will er?«
»Frag nicht so viel und komm! Wir müssen uns beeilen … Los, mach schon!«
Endlich hat sie kapiert. Sie springt aus dem Bus, wir fassen uns an den Händen und rennen los.
Aber wie immer, wenn ich mit Lucía zusammen bin, geht irgendwas schief. Ich weiß, es ist nicht ihre Schuld, aber anscheinend zieht sie das Unglück magisch an. Sansón Pérez und seine Freunde stellen sich uns in den Weg!
»Wohin so schnell, ihr zwei?«, fragt er.
»Ins Krankenhaus, zu Césars Vater«, antwortet Lucía. »Lasst uns vorbei!«
»Wir haben’s eilig«, füge ich hinzu.
»Wie heißt das Zauberwort?«, fragt der Lange grinsend.
»Sagt nett Bitte, sonst lassen wir euch nicht vorbei«, sagt Lorenzo, um sich bei Sansón einzuschleimen.
Lucía und ich sehen uns an. Wir wissen nicht, was wir machen sollen. Es ist nicht mal sicher, dass sie uns vorbeilassen, wenn wir sie freundlich darum bitten. Wir sind ratlos.
Plötzlich stürzt sich jemand auf Sansón und schubst ihn zur Seite. Javier!
»Das wirst du mir büßen, du Zwerg!«, schreit Sansón drohend.
»Ich hab dich gewarnt! Leg dich nicht mit uns an!«, entgegnet mein Bruder unerschrocken. »Lasst uns in Ruhe!«
»Wir haben noch gar nicht angefangen«, sagt Lorenzo und baut sich vor Javier auf. »Und wir sind mehr als ihr!«
Doch mein Bruder lässt sich nicht einschüchtern und sieht ihm trotzig in die Augen.
»Lauft!«, ruft er uns zu. »Mit denen werd ich alleine fertig!«
»Nein, entweder wir alle oder keiner!«, antworte ich und stoße einen von Sansóns Freunden zurück, der mir bedrohlich nahe gekommen ist.
»Dann los!«, befiehlt Javier.
Wir nehmen die Beine in die Hand und rennen los. Sansón Pérez und seine Clique rufen uns Beleidigungen und Drohungen hinterher. Aber wir kümmern uns nicht um sie. Erst als wir sicher sind, dass sie uns nicht folgen, bleiben wir stehen. Javier verabschiedet sich von uns:
»Wir sehen uns heute Abend. Bis dann!«
Lucía und ich gehen durch endlose Straßen und über Plätze, ohne ein Wort zu wechseln. Endlich erreichen wir das Krankenhaus. Wir gehen hinein, grüßen die Dame an der Rezeption und fahren mit dem Aufzug in die zweite Etage. Die Flure sind voller Leute. Klar, es ist Besuchszeit. Vor dem Zimmer 202 angekommen, klopfe ich leise an die Tür.
»Herein!«, ruft die Stimme meiner Mutter.
Lucía geht als Erste hinein, ich folge ihr. Das Zimmer liegt im Halbdunkel, genau wie gestern. Es herrscht fast absolute Stille. Papa liegt aufgerichtet im Bett. Er mustert uns schweigend. Mama fordert uns auf, uns auf die beiden Stühle zu setzen, die neben dem Bett stehen.
»Seid ihr bereit?«, fragt Papa.
»Wozu?«, fragen wir wie aus einem Mund.
»Ich werde euch jetzt das nächste Kapitel von dem Magischen Buch diktieren, schreibt bitte mit«, sagt er laut und deutlich. Es klingt wie ein Befehl. »Mal sehen, ob ihr euer Wort halten könnt.«
Uns wird klar, dass jetzt nicht die Zeit für Fragen ist. Wir holen unsere Schulhefte aus den Taschen und nehmen Stifte in die Hand. Wir sind bereit. Wir sind so aufgeregt, dass ich nicht weiß, ob wir alles mitkriegen werden. Lucía sieht mich siegesgewiss an. Es war also doch nicht alles umsonst!
»Ich werde euch die Geschichte so diktieren, wie ich sie im Kopf habe. Passt gut auf, ich bin sehr müde und möchte mich nicht wiederholen.
Nach einem ermüdenden Marsch gelangten Hanna und ihre Freunde zur Höhle der Schreiber im Tal des Nordens.
Einer der Greise bat die Wächter, eine dringende Versammlung des Rates der Schreiber einzuberufen. Eine Stunde später saßen sie alle um einen großen Felsen, der von einem Schwefelfeuer erhellt wurde. Wächter standen um sie herum.
In knappen Worten legte Hanna dar, worin das Problem bestand. Sie machte deutlich, wie ernst die Angelegenheit war, die sie und ihre Freunde hierher geführt hatte, und weckte so das Interesse der Schreiber.
›Es gibt nur eine Möglichkeit, Scroom aufzuhalten‹, sagte sie zum Schluss. ›Aber dazu brauchen wir eure Hilfe. Alles liegt in eurer Hand.‹
›In unserer Hand? Wie meinst du das?‹
›Ihr müsst ein ganz besonderes Buch
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