Das magische Buch
hat sie offensichtlich nicht gedacht.
»Reisen muss sehr schön sein«, fährt sie fort. »Wir könnten in den Städten, durch die wir kommen, etwas Geld verdienen …«
»Na ja, ich weiß nicht … Ehrlich gesagt, ich reise eigentlich nicht gerne. Es ist so anstrengend … und gefährlich.«
»Du bist ganz schön langweilig! Ich weiß gar nicht, warum sich ein Mädchen wie ich überhaupt mit einem Jungen wie dir abgibt. Ehrlich, ich versteh’s einfach nicht.«
»Das war’s, für heute sind wir fertig«, sage ich, um das Thema zu wechseln.
»Ist ziemlich gut geworden, nicht? Du bist ein richtiger Computerfachmann«, sagt sie anerkennend. »Jetzt drucken wir es aus, und dann fangen wir mit den Korrekturen an.«
Ich schalte den Drucker ein und klicke auf »Drucken«. Nach und nach legen sich die bedruckten Seiten in die Ablage.
»Cool!«, ruft Lucía. »Und so schön ordentlich! Macht richtig Spaß, es zu lesen …«
»Du übertreibst mal wieder. Halb so wild.«
»Wenn du erst mal Schriftsteller bist, wirst du das verstehen.«
»Ich werde kein Schriftsteller! Niemals! Vergiss es!«
»Für einen, der kein Schriftsteller werden will, schreibst du aber sehr gut«, bemerkt sie in einem spöttischen Ton, der mir gar nicht gefällt.
Javier steckt den Kopf durch die Tür und beobachtet uns dabei, wie wir die Seiten noch mal durchlesen.
»Leute, ich glaube, ihr könnt euch schon mal für die Schule fertig machen«, sagt er. »Es wird gleich hell.«
Tatsächlich! Die Stunden sind wie im Flug vergangen. Ich muss an Papa denken, wie er morgens, nachdem er die ganze Nacht durchgearbeitet hat, müde und erschöpft vor uns steht. Jetzt wird mir klar, dass die Schriftstellerei kein Kinderspiel ist. Nein, es ist eine ernste Angelegenheit. Und Schwerstarbeit.
Wir machen uns auf den Weg zur Schule. Unterwegs haben wir noch Zeit, bei Lucía vorbeizugehen. Sie duscht und zieht sich um. Ich bin ziemlich müde, aber zufrieden. Ich glaube, es ist das erste Mal seit Tagen, dass ich glücklich bin.
»Der Schriftstellersohn und die Schriftstellerin sind Frühaufsteher, was?«
Sansón Pérez! Die Philosophen sagen, dass das Glück nicht lange anhält. Recht haben sie!
»Was macht ihr so früh hier?«, fragt er.
»Geht dich nichts an«, antworte ich.
»Alles, was hier in der Schule passiert, geht mich was an«, entgegnet er. »Und es gefällt mir nicht, wenn die Schüler zu früh kommen. Oder wolltet ihr mir etwa nachspionieren?«
»Was?«, fragt Lucía. »Nachspionieren?«
»Ja, um später zu petzen, was ihr gesehen habt.«
»Wir haben nichts gesehen.«
Ich sage nichts. Doch, ich habe etwas gesehen. Ich habe gesehen, wie Sansón, Lorenzo und ihre Bande aus der Bücherei gekommen sind, mit losen Blättern in den Händen. Das kann gefährlich werden.
»Hör mal, wir sagen nichts«, verspreche ich.
»Würde ich euch auch nicht raten«, erwidert er drohend. »Petzen mag ich nämlich nicht … Übrigens, ihr habt noch was bei mir im Salz liegen, wegen gestern Nachmittag. Glaubt ja nicht, ich hätte das vergessen! Und dein Bruder, der Zwerg, steht auch auf der Liste.«
Er mustert die Mappe, die ich mir unter den Arm geklemmt habe.
»Was hast du da?«, fragt er.
»Och, nichts! Zettel. Du weißt schon, zum Lesen und so. Nichts Wichtiges.«
»Außerdem geht dich das nichts an!«, sagt Lucía ziemlich giftig.
»Alles, was hier in der Schule passiert, geht mich was an«, wiederholt Sansón. »Schon vergessen? Los, zeig mir die Zettel!«
»Ein andermal«, sage ich. »Es ist schon spät und …«
»Ich will die Zettel sehen, und zwar sofort!«, brüllt er.
»Von mir aus«, sage ich und öffne die Mappe. »Siehst du? Nichts Wichtiges.«
Sansón reißt mir die Blätter aus der Hand, sieht sie sich ein paar Sekunden an und befiehlt:
»Lesen!«
»Was? Was soll ich?«
»Du sollst lesen!«
»Jetzt?«
»Jetzt!«
»Okay, okay! Wird dich sowieso nicht interessieren. Literatur magst du ja nicht, oder?«
»Die immer mit ihren Büchern und dem ganzen Quatsch!«, mischt sich Lorenzo ein. »Letztes Jahr haben wir sie schon mal mit so komischen Sachen erwischt.«
»Lesen!«, wiederholt Sansón.
»Okay, okay …
Hanna, Nasshan und Sigfrido gingen am Abend zu dem Festessen, das die Schreiber zu ihren Ehren gaben.
›Wir sind einfache Leute‹, sagte einer der Schreiber entschuldigend, ›und unser Tisch ist nicht gerade königlich gedeckt. Aber das, was wir haben, teilen wir gerne mit euch.‹
›Vielen Dank‹,
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