Das magische Buch
mich immer jemand, der arbeitet, morgens aus dem Haus geht und abends mit einem Haufen vollgeschriebener Blätter zurückkommt, die später zu einem Buch werden.
Eine Krankenschwester hat zweimal zu uns hereingeschaut, ist aber wieder gegangen, nachdem sie sich vergewissert hat, dass alles in Ordnung ist.
Als sie das dritte Mal hereinkommt, weckt sie Papa und gibt ihm eine Tablette.
»Zeit für Ihre Medizin«, sagt sie überlaut, damit er richtig wach wird.
Widerspruchslos schluckt Papa die Tablette.
»So ist es brav«, sagt die Schwester, »immer schön gehorsam.«
Sie schüttelt die Kissen auf, macht ein wenig Ordnung im Zimmer und lässt uns wieder alleine.
»Möchtest du irgendwas?«, frage ich Papa.
»Nein, danke, alles bestens. Ich habe tief geschlafen.«
»Hast du etwas Spannendes geträumt? Du warst sehr unruhig und hast dich viel bewegt.«
»Tja … Ich habe von dem Magischen Buch geträumt. Passiert mir in letzter Zeit häufiger.«
»Du machst dir Sorgen, stimmt’s?«
»Ja, warum soll ich’s dir verschweigen? Ich glaube, es wird mich viel Mühe kosten, es zu beenden.«
Ich mache eine kleine Pause, um ihn darauf vorzubereiten, dass ich etwas Wichtiges zu sagen habe.
»Dir fällt das Schreiben schwer, weil wir nicht in eine andere Stadt gezogen sind«, sage ich dann zögerlich. »Es ist meine Schuld, ich weiß …«
»Nein, César, niemand ist schuld daran!«, versichert er mir.
»Wenn du willst, packen wir morgen unsere Koffer und gehen, wohin du willst«, schlage ich vor.
»Komm her, mein Junge, setz dich zu mir … Hör zu … Ich habe dir versprochen, dass wir in dieser Stadt bleiben, damit du deine Freunde nicht verlierst und …«
»Ja, aber das hat dich krank gemacht! Ich möchte nicht, dass du …«
»Manchmal ist das Leben eben nicht so einfach, wie wir es uns wünschen. Aber das heißt nicht, dass … Na ja, ich möchte nicht, dass du dir Sorgen machst.«
»Tu ich aber.«
»Ich werde das Buch zu Ende schreiben, egal wie …«
Jemand klopft behutsam an die Tür.
»Darf ich reinkommen?«, fragt Lucía.
Ich weiß nicht, wie sie das macht, aber sie schafft es immer, im unpassendsten Moment aufzutauchen.
»Komm rein, Lucía«, sagt mein Vater erfreut. »Ich wusste gar nicht, dass du mich besuchen wolltest.«
»Hab ganz vergessen, es dir zu sagen«, entschuldige ich mich.
»Wie geht es Ihnen, Señor Durango? Besser? Haben Sie wieder Lust zu arbeiten?«
»Hältst du vielleicht mal die Klappe?«, herrsche ich Lucía an.
»Immer mit der Ruhe«, sagt Papa. »Noch bin ich krank.«
»Ja, aber César und ich machen uns so unsere Gedanken … Und ich wollte Ihnen vorschlagen, dass …«
»Möchtest du ein Glas Wasser?«, frage ich, um sie abzulenken.
»Jetzt nicht … Wie gesagt, ich wollte Ihnen vorschlagen, dass wir … natürlich nur, wenn Sie wollen … dass wir Ihnen behilflich sein könnten, Das magische Buch fertig zu schreiben. Was halten Sie davon?«
»Aber was redest du denn da? Was meinst du? Wie wollt ihr mir denn helfen, ein Buch zu Ende zu schreiben? Das kann nur der Autor selbst.«
»Normalerweise schon. Aber Sie sind krank und brauchen Hilfe. Und wir sind bereit dazu!«
»Vielleicht möchte Papa nicht, dass …«
»Sei still, César! … Ich meine, mit all den Aufzeichnungen, die Sie schon haben … wir könnten sie ordnen und so die Geschichte … weiterspinnen.«
»Das ist völlig unmöglich! Ich muss das Buch alleine zu Ende schreiben. Es befindet sich hier, in meinem Kopf!«
»Okay, dann diktieren Sie uns Ihre Ideen, und wir tippen sie in den Computer. Ganz einfach! Wie finden Sie das?«
»Willst du damit sagen, dass ihr so etwas wie … wie meine Sekretäre sein wollt?«
»Ganz genau! Am besten, wir fangen gleich damit an. Der Abgabetermin für die Rohfassung rückt immer näher. Es bleiben nur noch drei Wochen …«
»Wir haben schon alles vorbereitet«, sage ich und hole die Schreibmappe hervor. »Hier sind deine Notizen. Alles, was du bis jetzt geschrieben hast.«
»Verrückte Bande! Habt ihr völlig den Verstand verloren?«
»Oh, wir haben noch mehr gemacht! Wir haben schon ein paar Kapitel geschrieben … Sind ganz gut geworden, Sie müssen sie nur noch durchsehen …«
Ich gebe meinem Vater die Blätter. Lucía und ich setzen uns hin und sagen keinen Ton, damit er sie in aller Ruhe lesen kann.
»Mal sehen …«, sagt Papa. »Mal sehen, was ihr da zusammengebastelt habt …
Hanna, Sigfrido und Nasshan fuhren zur Großen Bibliothek auf die
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