Das Magische Messer
wollte.
»Bist du in dieser Stadt schon jemandem begegnet?«, fragte er.
»Nein.«
»Und wie lange bist du hier?«
»Keine Ahnung. Ein paar Tage. Kann mich nicht erinnern.«
»Warum bist du überhaupt hergekommen?«
»Ich suche nach Staub.«
»Staub? Goldstaub, oder was? Was für Staub?«
Die Augen des Mädchens verengten sich zu Schlitzen und es sagte nichts. Will drehte sich zur Treppe um, die nach unten führte.
»Ich habe Hunger«, sagte er. »Gibt es in der Küche etwas zu essen?«
»Keine Ahnung …«, sagte das Mädchen und folgte ihm mit einigem Abstand.
In der Küche fand Will die Zutaten für einen Auflauf mit Hühnchen, Zwiebeln und Paprikaschoten, aber sie waren noch nicht gebacken worden und stanken in der Hitze. Er ließ alles in den Mülleimer fallen.
»Hast du denn nichts gegessen?«, fragte er und öffnete den Kühlschrank.
Lyra kam näher, um in den Kühlschrank zu sehen.
»Ich wusste nicht, dass es hier so etwas gibt«, sagte sie. »Oh! Das ist ja ganz kalt …«
Ihr Dæmon hatte sich erneut verwandelt, diesmal in einen riesigen, bunten Schmetterling, der kurz in den Kühlschrank flatterte und sofort wieder herauskam, um sich auf ihre Schulter zu setzen. Langsam hob und senkte der Schmetterling die Flügel. Will kam sich blöd vor, ihn so anzustarren, aber ihm schwirrte der Kopf, so seltsam war das hier alles.
»Du hast noch nie einen Kühlschrank gesehen?«, fragte er.
Er fand eine Cola-Dose und gab sie ihr. Dann holte er eine Schale mit Eiern heraus. Das Mädchen drückte erfreut die Handflächen an die Dose.
»Trink sie ruhig«, sagte er.
Das Mädchen sah die Dose mit gerunzelter Stirn an. Es wusste nicht, wie man sie öffnete. Er drückte die Lasche ein und das Getränk schäumte heraus. Lyra leckte misstrauisch daran und riss die Augen auf.
»Das kann man trinken?«, fragte sie und ihre Stimme schwankte zwischen Hoffen und Bangen.
»Natürlich. Also Coca-Cola haben sie immerhin in dieser Welt. Schau, ich trinke auch was, damit du weißt, dass es kein Gift ist.«
Er öffnete noch eine Dose. Als sie ihn trinken sah, folgte sie seinem Beispiel. Sie war offensichtlich sehr durstig. Sie trank so schnell, dass ihr der Schaum in die Nase stieg. Sie schnaubte und rülpste laut und machte eine finstere Miene, als er sie an sah.
»Ich mache ein Omelette«, sagte er. »Willst du auch eins?«
»Ich weiß nicht, was das ist.«
»Wart’s ab, dann siehst du es. Es gibt hier auch eine Dose mit Baked Beans, wenn du willst.«
»Das kenne ich nicht.«
Er zeigte ihr die Dose. Sie suchte nach einer Lasche wie auf der Cola-Dose.
»Nein, dazu brauchst du einen Dosenöffner«, sagte er. »Gibt es in eurer Welt keine Dosenöffner?«
»In meiner Welt sind Diener für das Kochen zuständig«, sagte sie verächtlich.
»Sieh in der Schublade da drüben nach.«
Sie wühlte durch das Küchenbesteck, während er sechs Eier in eine Schüssel schlug und mit einer Gabel verquirlte.
»Da liegt er«, sagte Will, der sie beobachtete. »Mit dem roten Griff. Bring ihn her.«
Er stach ihn in die Dose und zeigte ihr, wie man sie öffnete.
»Jetzt hol den kleinen Topf vom Haken und tu die Bohnen rein«, wies er sie an.
Sie roch an den Bohnen und wieder trat ein Ausdruck von Wonne und Misstrauen in ihre Augen. Sie kippte die Dose in den Topf, leckte sich den Finger ab und sah zu, wie Will Salz und Pfeffer in die Eier rührte und von einem Päckchen Butter im Kühlschrank ein Stück in eine gusseiserne Pfanne schnitt. Dann ging er hinter die Theke, um nach Streichhölzern zu suchen. Als er zurückkam, steckte sie ihre dreckigen Finger in die Schüssel mit den verquirlten Eiern und leckte sie gierig ab. Auch ihr Dæmon, inzwischen wieder in Katzengestalt, tauchte seine Pfote ein, wich aber zurück, als Will näherkam.
»Das ist noch nicht gebraten«, sagte er und nahm ihr die Schüssel weg. »Wann hast du zum letzten Mal etwas Warmes gegessen?«
»Im Haus meines Vaters auf Svalbard«, sagte sie. »Vor Tagen. Keine Ahnung wann. Ich habe hier Brot und anderes Zeug gefunden und das gegessen.«
Er zündete das Gas an, schmolz die Butter, goss die Eier hinein und ließ sie sich auf dem Boden der Pfanne ausbreiten. Ihre Augen verfolgten alles gierig und sahen zu, wie er das bereits gebratene Ei in der Mitte zu einem sanften Hügel zusammenschob und die Pfanne kippte, um das rohe Ei an die freigewordenen Stellen fließen zu lassen. Sie beobachtete auch ihn selbst, sein Gesicht, seine hantierenden Hände,
Weitere Kostenlose Bücher