Das Magische Messer
Mrs. Cooper.
»Bei einem Freund«, sagte er. »Ich rufe an, so oft ich kann. Ihre Nummer habe ich. Keine Sorge.«
Seine Mutter sah ihn verwirrt an. Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie ungeschickt.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte er. »Mrs. Cooper versorgt dich besser als ich, wirklich. Und ich rufe dich morgen an.«
Sie umarmten sich fest, dann küsste Will sie noch einmal, befreite sich sanft aus ihren Armen, die sie um seinen Hals geschlungen hatte, und ging zur Haustür. Mrs. Cooper merkte, wie aufgewühlt er war, seine Augen schimmerten feucht. Dann fiel Will ein, dass er sich gar nicht von ihr verabschiedet hatte, und er wandte sich um und hielt ihr die Hand entgegen.
»Auf Wiedersehen«, sagte er, »und vielen Dank.«
»William«, sagte sie, »willst du mir nicht doch sagen, was passiert ist –«
»Es ist ziemlich kompliziert«, erwiderte er, »aber meine Mutter macht keine Umstände, bestimmt nicht.«
Das hatte Mrs. Cooper nicht gemeint, und sie wussten es beide, aber offenbar hatte Will eine Entscheidung getroffen, welche das auch sein mochte. Noch nie hatte die alte Frau ein so entschlossenes Kind gesehen.
Er wandte sich zum Gehen, in Gedanken schon bei dem leeren Haus.
Die Siedlung, in der Will und seine Mutter wohnten, lag in einem Straßenbogen und bestand aus einem Dutzend identischer Häuser, von denen ihres das bei weitem schäbigste war. Im Vorgarten wuchs kaum mehr als Gras und Unkraut. Seine Mutter hatte zwar im Frühjahr einige Büsche gepflanzt, aber sie waren vertrocknet und verdorrt, weil niemand sie gegossen hatte. Als Will um die Ecke bog, stand seine Katze Moxie von ihrem Lieblingsplatz unter der noch lebenden Hortensie auf und streckte sich. Dann begrüßte sie ihn mit einem leisen Miauen und rieb den Kopf an seinem Bein.
Er nahm sie hoch und flüsterte: »Sind sie wiedergekommen, Moxie? Hast du sie gesehen?«
Stumm lag das Haus da. Der Mann von gegenüber wusch im letzten Abendlicht sein Auto, aber er bemerkte Will nicht, und Will sah nicht zu ihm hinüber. Je weniger man ihn beachtete, desto besser.
Moxie fest an die Brust gedrückt, schloss er die Tür auf und ging schnell hinein. Drinnen lauschte er angespannt, bevor er die Katze absetzte. Es war nichts zu hören; das Haus war leer.
Will öffnete eine Konserve für Moxie und ließ sie in der Küche fressen. Wann würden die Männer wiederkommen? Er hatte keine Ahnung, also machte er sich besser gleich an die Arbeit. Er ging nach oben und begann mit der Suche.
Er musste die abgewetzte Schreibmappe aus grünem Leder finden. Auch in einem ganz gewöhnlichen Haus wie diesem gab es für einen Gegenstand dieser Größe eine überraschende Vielzahl von Verstecken; wer etwas verstecken will, braucht dazu keine Geheimfächer in der Wandverkleidung oder große Keller. Will durchkämmte zuerst das Schlafzimmer seiner Mutter. Als er an die Schubladen kam, in denen sie ihre Unterwäsche aufbewahrte, schämte er sich etwas. Dann arbeitete er sich systematisch durch die restlichen Zimmer im Obergeschoss, darunter auch sein eigenes. Moxie kam, um zu sehen, was er tat, und leistete ihm Gesellschaft, indem sie sich in seine Nähe setzte und sich putzte.
Aber er fand die Mappe nicht.
Inzwischen war es dunkel und er hatte Hunger. Er machte sich Baked Beans und Toast, setzte sich an den Küchentisch und überlegte, in welcher Reihenfolge er die Zimmer im Erdgeschoss durchsuchen sollte.
Gerade als er mit dem Essen fertig war, klingelte das Telefon.
Er blieb regungslos sitzen und sein Herz raste. Er zählte mit; sechsundzwanzigmal klingelte es, dann hörte es auf. Er stellte seinen Teller in das Spülbecken und setzte die Suche fort.
Vier Stunden später hatte er die grünlederne Mappe immer noch nicht gefunden. Es war halb zwei Uhr nachts und er war erschöpft. Angezogen legte er sich auf sein Bett und schlief sofort ein. Er träumte wirres Zeug und sah die ganze Zeit, knapp außer Reichweite, das unglückliche, verängstigte Gesicht seiner Mutter vor sich.
Schon im nächsten Augenblick, so schien es ihm – obwohl er fast drei Stunden geschlafen hatte –, wachte Will wieder auf und wusste sofort zwei Dinge.
Er wusste, wo die Mappe war, und er wusste, dass die Männer da waren und unten gerade die Küchentür öffneten.
Er hob Moxie vom Bett herunter und beruhigte sie leise, als sie schläfrig protestierte. Dann schwang er die Beine über die Bettkante und zog die Schuhe an; dabei lauschte er angestrengt auf die
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