Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)
sagt er. Sein Gewicht zwingt mich, das meine zu verlagern.
»Mich dünkt, Sie halten besser den Zündschalter fest, Fettsack. Vienne! Kette die Kinder los.«
»Jawohl!«, antwortet Vienne.
»Hoch mit Ihnen«, befehle ich Postule, »oder ich schlitze Ihnen die Kehle auf.«
Er lacht. »Ein Regulator, der einen hilflosen Mann tötet? Das glaube ich nicht. Das verbieten die Richtlinien.«
»Jetzt hat er dich kalt erwischt«, sagt Mimi.
»Aber die Richtlinien verbieten es nicht, einen hilflosen Mann zu verletzen«, antworte ich Mimi, ehe ich zu Postule sage: »Eine durchschnittene Kehle ist viel zu harmlos, verglichen mit dem, was Sie verdient haben.«
»Ich biete dir einen Handel an«, grunzt Postule. »Ich behalte das Lösegeld, du behältst die Bälger.«
»Sie sind nicht in der Position, Bedingungen zu stellen.«
»Dann werde ich meine Position wohl ändern müssen.« Postule atmet aus, und sein Körper erschlafft. Sein ganzes Gewicht lastet auf mir. Ich trete zur Seite und lasse ihn fallen. Sein schlachtreifer Körper knallt auf den Boden. Seine Hand verliert die Spannung, sein Griff lockert sich.
»Cowboy!«, warnt mich Mimi, »der Schalter!«
»Hab ihn!« Ich schnappe mir den Schalter. Die Kinder sind in Sicherheit.
»Das war knapp«, sagt Mimi. Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, den Schalter zu inspizieren, um ihr zu antworten, also fährt sie fort: »Du solltest vielleicht wissen, dass in siebenunddreißig Sekunden dein Transportmittel eintrifft.«
»Vienne, befreie die Kinder. Unsere Mitfahrgelegenheit ist unterwegs.« Ich sammle das Lösegeld ein, wobei ich nicht umhinkomme, mir selbst auf die Schulter zu klopfen. »Das nenne ich gute Arbeit.«
Mein alter Chief hat mir drei Lektionen erteilt: Glaube nie etwas, das du hörst, und nur die Hälfte von dem, was du siehst. Mach keine Schulden, denn da kommst du nie wieder raus. Und lobe dich niemals selbst, sonst wird dein Karma dich in den Hintern beißen.
»Gute Arbeit? Meinst du?«, sagt Postule, ehe er plötzlich über die Kante der Plattform rollt und nach einem anderen Schalter greift. Einem Schalter, den ich übersehen hatte. »Dann verabschiede dich mal von deinen Münzen, Dalit.«
Karma trifft Hintern, schießt es mir durch den Kopf. Ich wirble zu Vienne herum, die gerade das Mädchen befreit. »Pass auf!«
Zu spät. Eine Falltür öffnet sich, und eine Sekunde später reißt eine Sprengladung ein Kettenglied auf. Die Wucht der Explosion trifft Vienne mitten im Gesicht, und das Mädchen entgleitet ihrem Griff. Die Kette reißt. Das Mädchen stürzt kopfüber ins Wasser, die Hände immer noch mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt, und versinkt so schnell wie eine Tonne Erz.
KAPITEL 3
N EW E DEN , P ANGEA , M ARS .
A NNOS M ARTIS 238. 4. 7. 06:41
»Nein!«, brülle ich, als Wasser den Trichter füllt, den der Körper des Mädchens hinterlassen hat. Hinter mir höre ich Postule lachen. Er versucht davonzulaufen, und sein ungeheuerlicher Bauch hüpft auf und nieder. Seine Flucht ist nicht mehr zu verhindern. Vienne ist immer noch ausgeschaltet, aber ich kann mich jetzt nicht um sie kümmern – das Mädchen hat Vorrang.
Ich stürme zu der Plattform. »Mimi«, rufe ich, »halte das Transportmittel auf.«
»Längst geschehen.«
Ich reiße mir die Stiefel von den Füßen und tauche direkt hinein in die trübe Brühe. Der Schwung trägt mich ein paar Meter weit, aber mir ist bewusst, dass das Gewicht der stählernen Fesseln das Mädchen geradewegs hinunter auf den Boden des Abwasserbeckens ziehen wird. Sollte ich mich als Glückspilz erweisen, ist dieser Boden nicht allzu weit entfernt. Ich tauche tiefer, tiefer, immer tiefer.
Kein Mädchen. Kein Boden. Nichts.
Ich bin kein Glückspilz.
Wie viele Meter bis zum Boden? Fünf? Zehn? Die ersten Marsstädte, zu denen auch New Eden gehört, waren mithilfe von Sklavenarbeit erbaut worden, aber ohne einheitliche, sinnvolle Planung, also konnte das Abwassersystem ebenso gut offen wie geschlossen sein. Seicht oder so unergründlich wie ein schwarzes Loch.
»Ich könnte hier ein bisschen Hilfe brauchen, Mimi.« Ich trete heftig mit den Beinen, um mich weiter in die Tiefe zu befördern. »Wo ist das Mädchen?«
»Nicht auffindbar.«
»Ich hasse es, wenn du das sagst.«
»Ja, das hattest du mir schon mal gesagt ...«
»Tausend Mal.«
»Achthundertdreiundvierzig Mal, um genau zu sein. Aber wer zählt schon so penibel mit.«
»Du! Achthundertdreiundvierzig Mal!«
»Nun ja, irgendjemand
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