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Das Meer und das Maedchen

Das Meer und das Maedchen

Titel: Das Meer und das Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathi Appelt
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Rücken lief. Sie streichelte den Hund. Taten ihm die Krabben auch leid?
    Und dann, ganz plötzlich, schien sich das Glück zu Mirjas Gunsten zu wenden.
    „Oh nein“, sagte Signe. Sie hielt eine kleine, leere Flasche hoch. „Wie konnte das bloß passieren?“ Signe schüttelte die leere Flasche, als ob sie dadurch den fehlenden Inhalt irgendwie herzaubern könnte.
    „Was ist?“, fragte Mirja.
    „Pfeffersoße“, sagte Signe. „Ich habe keine Pfeffersoße mehr.“
    „Ist das schlimm?“, fragte Mirja.
    „Petite Tartines rote Pfeffersoße“, erwiderte Signe. „Die brauche ich unbedingt.“ Dann deutete sie auf das Rezept in dem alten Kochbuch und sagte: „Das ist die beste Pfeffersoße im ganzen Land.“
    Mirja wusste, dass es die einzige Pfeffersoße war, die Signe je benutzte, und sie brauchte sie nur für das Gumbo. Jetzt war nichts mehr da. Die Flasche war leer.
    Im Topf kochte das Gumbo. Signe stellte die Flamme kleiner, damit es nur noch leicht köchelte, und kratzte sich an der Stirn. Zu Mirjas maßloser Überraschung fragte sie: „Mirja, kannst du den Topf im Auge behalten, während ich schnell in die Stadt fahre?“
    Mirja traute ihren Ohren nicht. In den letzten Monaten hatte sie geackert und geschuftet, um zu beweisen, dass sie alt und vernünftig genug war, um allein zu Hause zu bleiben, wenigstens für kurze Zeit. Sie hatte all ihre Aufgaben erledigt, ohne dass man sie (zweimal) darum bitten musste. Sie hatte ihre Kleider nicht auf den Boden geworfen. Sie hatte den Hund jede Woche gebadet. Und außerdem hatte sie einen richtigen, bezahlten Job. Sie war Dogies offizielle Mitarbeiterin. Sie hatte schon zweiundvierzig Dollar verdient. Und heute würde sie weitere zwei Dollar bekommen. Mindestens. Wenn das nicht „vernünftig“ war, was dann?
    Normalerweise nahm Signe Mirja überallhin mit, egal wie kurz sie auch weg war. Oder aber sie lieferte sie bei Mr Beauchamp ab oder schickte sie zu Dogie, damit sie dort auf ihre Rückkehr wartete. Die Zeit, in der Signe in der Prince Oyster Bar arbeitete, verbrachte Mirja entweder im Bus oder bei Mr Beauchamp. Aber heute hatte Signe keine Schicht. Heute war ein Gumbo-Tag.
    Und ganz plötzlich hatte sich dank der leeren Pfeffersoßenflasche eine wunderbare Gelegenheit für Mirja ergeben.
    „Ich bin gleich wieder da“, sagte Signe. „In ein paar Minuten.“ Als Signe durch die Tür ging, wandte sie sich um und sagte: „Und Mirja: Wenn das Gumbo wieder anfängt zu kochen, machst du die Flamme aus und rührst herum, ansonsten klebt uns das Gumbo nachher an den Wänden.“
    Mirja nickte und winkte. Es war ein kleines, zartes Winken. Ihr Herz hämmerte gegen ihren Brustkorb. Sie sah, wie sich die Tür schloss.
    Allein!
    Sie war allein!
    Mit den Krabben.
    Schnell rechnete sie nach.
    Die Fahrt nach Tater und zurück, plus die Zeit im Laden: dreißig Minuten. Höchstens. Signe würde eine halbe Stunde lang weg sein.
    Höchstens.
    Die zehn Krabben sahen schöner aus als je zuvor. Ihre Rücken waren wie breite Herzen geformt.
    Mirja schaute BF an. „Wir haben eine Menge Arbeit vor uns.“
    „Wuff“, erwiderte er. „Wuff!“ Dann duckte er sich unter den Tisch und machte sich unsichtbar.
    Mirja fühlte, wie ihr eine Welle der Freude über die Beine lief, bis zu den Zehen. Aber sie musste sich beeilen. Signe würde in dreißig Minuten wieder zurück sein. Sie hatte keine Zeit zu verlieren.
    10 Signe drehte den Schlüssel im Zündschloss des alten Kombis, der in der Einfahrt stand. Sie wartete einen Moment, bis der Motor warm wurde, und schickte ein Dankgebet gen Himmel, dass die alte Karre angesprungen war.
    In diesem Wagen hatte Meggie Marie Signe vor vielen Jahren am Straßenrand aufgelesen. Meggie Marie war rechts rangefahren, wo Signe ganz allein stand, die große Holzschale, ihren einzigen Besitz, fest an die Brust gedrückt, und ein paar Dollarnoten in ihrem Schuh. Kein Gepäck, gar nichts, nur die große Holzschale und das übermächtige Verlangen, der erstickenden Enge Iowas zu entkommen.
    Signe war in den grünen Kombi eingestiegen, und er hatte sie hierhergebracht an diesen abgelegenen Küstenstreifen von Texas. Hier gab es keine endlosen Maisfelder. Keine Getreidesilos, so weit das Auge reichte. Keine meterhohen Schneeverwehungen im Winter. Keine Zimmer voller Erinnerungen. Erinnerungen an ihre Eltern, die bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren.
    Nur Sand, Palmen und Wasser.
    In Iowa hatte sich Signe so eingeengt gefühlt wie die Landschaft

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