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Das Meer wird dein Leichentuch

Das Meer wird dein Leichentuch

Titel: Das Meer wird dein Leichentuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Maine
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ihr alles erfahrt. Es ist eine Beichte vor Gott und den Menschen. Ob das, was ich tat, vor den Augen des Allerhöchsten Sünde war, weiß ich nicht. Ihr aber lest mein Geständnis. Und dann richtet über mich, wenn ihr euch anmaßt, Richter zu sein.
                 
    Denn was ich schreibe, ist die reine Wahrheit. Und nichts als die Wahrheit.
     
    Alles begann am 10. April 1912 gegen 16,30 Uhr im Hafen von Cherbourg ...
     
                                                                            ***
     
    Wie die Wand eines gigantischen Hauses ragte der blauschwarze Schiffskörper vor mir auf. Die „Titanic“ war viel zu groß, als dass sie im kleinen Hafen von Cherbourgh anlegen konnte. So wurden die Passagiere, die hier in Frankreich zustiegen, samt ihrem Gepäck mit einem Tender-Schiff zu ihr hinüber gefahren. So gut es ging versuchte ich mich durch das Gedränge der anderen Passagiere zur Gangway zu drängen, die hinüber zur „Titanic“ führte. Ich musste mich beeilen, um rasch bei meinen Herrschaften zu sein, wenn sie mich brauchten.
     
    Colonel John Jacob Astor und seine junge Frau Madeleine waren natürlich bevorzugt unter den ersten Passagieren an Bord gegangen. Ich konnte beobachten, wie sie von diensthabenden Deckoffizier mit allen Formen der Höflichkeit empfangen wurden.
     
    Immerhin war mein Dienstherr ein Mann, der sein Vermögen in Milliarden maß. Man munkelte sogar, Astor sei der reichste Mann der Welt. Sein Urgroßvater war einst aus Deutschland nach Amerika ausgewandert und hatte als skrupelloser Pelzhändler und Grundstücksspekulant die Keimzelle künftigen Reichtums gelegt. Er kaufte das Land, auf dem heute die Stadt New York liegt, für wenig Geld den Indianern ab. Und als sich New York ausdehnte, wurden die Grundstücke Gold wert.
     
    In nicht einmal hundert Jahren hatte die Dynastie der Astors mit Energie und Tatkraft ein Wirtschaftsimperium aufgebaut, das die Reichtümer der Rockefellers, Carnegies und Vanderbilts weitgehend in den Schatten stellte. Und John Jacob Astor, das Oberhaupt der Familie, war unumschränkter Alleinherrscher über das unermessliche Vermögen.
                 
    Ich, Danielle Bidois, hatte unglaubliches Glück, die gut bezahlte Stelle als Dienstmädchen bei den Astors zu bekommen. Sie kamen gerade von ihrer ausgedehnten Hochzeitsreise zurück, die sie durch halb Europa und den Nahen Osten geführt hatte. Nun wollten sie das neue Flaggschiff der „White-Star-Line“ auf seiner Jungfernfahrt über den Atlantik begleiten und in die Vereinigten Staaten zurück kehren.
     
    Aber auf ihrer letzten Etappe in Paris wurde die ältliche Zofe von Madeleine Astor, der erst achtzehnjährigen Frau des Milliardärs, von Heimweh geplagt. Madeleine Astor hatte Verständnis für ihre Dienerin. Sie entließ die treue Seele mit einem ihr unter der Hand zugeschobenen, ordentlichen Draufgeld. Aber Madeleine bat sie um die Vermittlung einer Person ihres Vertrauens als Ersatz.
     
    Und diese Person des Vertrauens war eben ich, Danielle Bidois. Und das kam daher, weil die von Heimweh geplagte Dame meine Großtante war. Ich war damals dreiundzwanzig Jahre alt und hatte bereits in einigen vornehmen Häusern als Zimmermädchen gearbeitet. Vor zwei Wochen war meine letzte Dienstherrin in hohem Greisenalter gestorben, daher war ich jetzt ohne Stellung. Freudig griff ich zu, als Tante Constance mir das Angebot machte, mit den Astors in die Vereinigten Staaten zu gehen.
     
    Amerika. Das war das Traumland meiner Sehnsucht, von dem man sich Wunderdinge erzählte. Wie oft hatte ich gehofft, es einmal sehen zu können. Aber von meinem kleinen Gehalt konnte ich mir niemals eine Schiffspassage leisten. Doch nun würde ich sogar auf dem Schiff hinüberfahren, über dessen Luxus-Einrichtung alle Zeitungen Wunderdinge zu berichten wussten.
     
    Das umfangreiche Gepäck meiner Herrschaften war bereits von den Ladekränen der Titanic an Bord gehievt und von kräftigen Männern zur Kabine ihrer Suite transportiert worden. Ich musste mich sputen, die mächtigen Überseekoffer Madeleine Astors und ihres Gatten zu leeren. Es galt, eine große Menge Kleider und Anzüge in den Schränken ihrer Luxus-Unterkunft zu verstauen.
     
    Für mich gab es eine kleine Kabine in der dritten Klasse am Bug des Schiffes. Ich teilte sie mit drei anderen Dienstmädchen, deren Namen ich heute vergessen habe. Die Unterkünfte für das

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