Das Meer wird dein Leichentuch

                                                                      ***
     
    Die eisige Kälte riss mich aus der Verzauberung vom Damians Umarmung.
    Leben! Leben! Ich will Leben ...!
     
    Ich spürte, wie Damian von mir fortging. Er verschwand im Nichts, aus dem er hervor gestiegen war. Um mich war nur die eisige Kälte. Und in mir der verzweifelte Schrei nach Leben.
     
    Eine gewaltige Luftblase entwich aus dem Inneren des Schiffes und riss mich nach oben. Ich ruderte mit den Armen und kam an die Oberfläche. Tief atmete ich die Luft ein, die mir das Leben wieder gab.
     
    Der Mann, der unmittelbar neben mit auftauchte, war Charles Lightoller, der Zweite Offizier. Auch ihn hatte die entweichende Luft nach oben gedrückt. Seine Schwimmweste hielt uns beide über Wasser, während wir verzweifelt um Hilfe schrien. War es Zufall oder das Wirken Damians, dass ein Boot auf uns zu ruderte? Denn Damian hatte mir gesagt, dass ich weiter leben werde, wenn nicht die Todessehnsucht in mir den Wunsch nach Leben besiegen würde.
     
    Nur zwei Boote gab es, die es wagten, von den vielen hundert Menschen, die hilflos im Wasser trieben, noch einige zu retten. In dem Boot, das auf uns zukam, befand sich Madeleine Astor. Sie hatte den Matrosen viel Geld versprochen, wenn sie es wagten, zur Stelle des Untergangs zu rudern. Doch die Hoffnung, dass sie ihren geliebten Mann dadurch retten würde, erstarb in ihr, als ich ihr alles erzählte.
     
    Und ihre Augen füllten sich mit Tränen ...
     
     
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    In den frühen Morgenstunden nahm uns die Carpathia auf. Zusammen mit anderen Schiffen wurde die ganze Gegend nach Überlebenden abgesucht. Doch es konnten nur noch die Toten geborgen werden. Unter ihnen befand sich auch John Jacob Astor ...
     
    So viele Jahre sind seitdem vergangen. Doch die letzte Nacht der Titanic werde ich niemals vergessen. Die Königin der Ozeane, das Märchenschiff von Schönheit und Eleganz ruht nun für immer auf dem Grund des Atlantiks.
     
    Nun wisst ihr alles, was damals geschah und meine Seele ist nun leicht wie eine Feder. Jetzt kann ich in Ruhe darauf warten, dass er mich zu sich nimmt. Und es kann nicht mehr lange dauern, bis er vor mir erscheint.
     
    Ich, Danielle Bidois, bin dem Schwur, den ich Damian gegeben habe, immer treu geblieben. Nie habe ich mich einem anderen Mann genähert oder gar geheiratet. Denn ich bin die Braut dessen, der am Ende meiner Tage vor mir stehen wird.
     
    Der Tag unseres Wiedersehens wird bald kommen. Ich bin sehr alt geworden. Mein Haar ist schlohweiß und in mein Gesicht hat das Alter seine Runen eingegraben. Wenn ich gehe, stütze ich mich auf einen Stock. Und ich bin die meiste Zeit allein. Allein mit meinen Erinnerungen.
     
    Doch ich weiß, dass ich in dem Augenblick, wenn er in mein Zimmer tritt, wieder so jung sein werde, wie damals, als wir uns auf der Titanic zum ersten Mal begegneten. Und nachdem ich den Kelch des Lebens bis zur letzten Neige geleert habe, bin ich gern bereit, ihm zu folgen.
     
    Ihm, dem Mann, der meine große und einzige Liebe war.
     
    Damian d’Armand.
     
    Der Marquis le Mort.
     
    Ich erwarte dich, mein über alles geliebter Damian ...
     
                                                                                                      E n d e