Das Midas-Kartell
Schwindel, durchfuhr ihn, als die Droge durch seine Synapsen schoss. Er warf die Bibel auf das Bett. Gott wäre deswegen sicher nicht beleidigt. Die Droge nahm er nicht aus Gewohnheit, sondern aus Notwendigkeit. Zu viel Arbeit, zu wenig Zeit. Der Laptop-Bildschirm schimmerte bläulich im Dunkeln. Die Zahlen darauf wurden klarer und gröÃer. Codezeilen standen stramm und sprangen wie von selbst in die richtige Aufstellung. Ungeduldig wischte er mit bebenden Fingern den roten Tropfen weg, der ihm aus der Nase lief, und begann wie wild zu tippen. Nicht mehr lange. Der Coup stand kurz bevor.
Seit vier Monaten versteckte er sich jetzt hier in Guatemala City. Das Bett hatte er kaum gebraucht, jede verfügbare Oberfläche in seiner Bude war mit Ausdrucken übersät, überall stapelten sich Unterlagen, im Flur, in der Küche, im Bad. Auf dem FuÃboden verstreut lagen Polaroids von den Opfern, die er hatte aufspüren können.
Das Chaos um ihn herum spiegelte seinen Geisteszustand wider. Seine Welt sah aus wie von Franz Marc gemalt, zerbrochene Formen, voller Halbwahrheiten und Geheimnisse. Irgendwie gelang es ihm, sie und sich selbst aufrechtzuerhalten. Tief in ihrem Innern gehorchte sie einer Logik, einer bestimmten Ordnung. An diesen Gedanken klammerte er sich, während er sich durch die Codes arbeitete, Passwörter knackte und Gelder auf Offshore-Konten transferierte: sieben verschiedene Konten unter sieben verschiedenen Namen. Die Zahlen flackerten vor seinen Augen, als er die Daten überprüfte.
SchlieÃlich hob er das Gesicht vom Bildschirm und blinzelte ein paarmal. Sein Blick fiel auf das Foto, das am anderen Ende des Schreibtischs im Halbdunkel stand. Emily, die in ihre Kaffeetasse lachte, in einem Café in Venedig, am Canale Grande, im Hintergrund Palazzi im Schein der tief stehenden Herbstsonne. Der Moment, kurz bevor sie ihm sagte, dass sie ihn liebte, die Augen voller VerheiÃung.
Danny wandte sich ab. Er hätte das Bild längst wegwerfen sollen, zusammen mit dem ganzen anderen Zeug. Emily war genau wie alle anderen, wie sein Chef, seine Freunde und sein statusbesessener Vater. Sie weigerten sich, ihm zuzuhören, und erklärten ihm stattdessen, er hätte den Verstand verloren. Sie wollten nichts wissen von seinen Entdeckungen, den verästelten Buchungssystemen der Banken und deren Geheimnissen. Du solltest mal Urlaub machen. Du solltest zum Arzt gehen. Ehrlich, Daniel, weiÃt du eigentlich, dass du paranoid klingst? Wie ein Psychopath? Er hörte förmlich die herrische Stimme seines Vaters durch das Zimmer hallen. Ohne Beweise kann man niemanden anklagen. So läuft das nicht. So kann man einen Fall nicht vorbringen oder gar gewinnen .
Sein Vater Edward Wiseman, der vernunftgelenkte Staatsmann, der stets das passende Argument parat hatte. Er hatte immer noch gute Verbindungen, kannte Leute bei der Inneren Sicherheit â oder besser gesagt, bei den privaten Sicherheitsdiensten, die das Ministerium für die Drecksarbeit benutzte. Es wurmte Danny, dass der Alte seine Kontakte nicht nutzen wollte, um ihm zu helfen. Wiseman senior war so besorgt um sein politisches Vermächtnis, dass er dem Instinkt seines Sohnes nicht traute. Was, wenn der auf etwas stieÃ, was seinen Ruf schädigte? Wobei Danny bezweifelte, dass sein Vater tatsächlich so viel Vertrauen in ihn hatte. Wahrscheinlich hatte er vor allem Angst, sich durch irgendeine absurde Verschwörungstheorie lächerlich zu machen.
Danny schob die Gedanken beiseite. Einen Menschen gab es noch, an den er sich wenden konnte. Eine letzte Chance. Hoffentlich würde er auf diesen Kontakt nicht zurückgreifen müssen.
Ein Klopfen an der Tür lieà ihn zusammenfahren.
»Was ist? Was wollen Sie?«, fragte er mit panischer Fistelstimme und sprang auf die FüÃe.
»Abendessen. Ich bringe Ihnen Ihr Abendessen.« Es war die Wirtin. Nur die Wirtin.
Er sperrte die beiden Schlösser der Eingangstür auf, schob den Riegel zurück und zog sie einen Spaltbreit auf. DrauÃen im Flur stand Margarita mit einem Teller Chili.
Sie spähte vorsichtig auf das Durcheinander hinter ihm. Der Amerikaner war mit zwei schwer aussehenden Taschen und einem nervösen Grinsen auf seinem verschwitzten Gesicht angekommen und hatte für sechs Monate im Voraus bezahlt. Sein einziger Wunsch war gewesen, dass die Wohnung Sicht zur StraÃe bot.
Beim Anblick dieses Chaos â
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