Das Midas-Kartell
hinabzublicken. Da war niemand. Vielleicht fing er schon an zu halluzinieren. Vielleicht aber auch nicht. Er joggte zu seiner Wohnung zurück.
»Mierda«, sagte Gloria leise und trat von der Bar weg, um nach drauÃen zu gehen, wo sie sich eine Zigarette anzündete und ihr Telefon herausholte. »Er ist weg.«
»Wohin?«
»Weià ich nicht. Wahrscheinlich zurück in seine Wohnung. Ein Spinner.« Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille.
»Führen Sie uns zu der Adresse. Danach brauchen wir Sie nicht mehr«, sagte die Stimme dann.
»He, ich kann nichts dafür«, protestierte sie. »Sie schulden mir noch Geld für die letzten beiden Nächte â¦Â«
Doch die Leitung war bereits tot.
3
Unter schwerem, hektischem Atmen öffnete Danny die Tür zu seiner Wohnung. Er besprengte über der Küchenspüle sein Gesicht mit Wasser und steckte dann den Kopf unter den Wasserhahn. So war es schon besser. Er spürte, wie sein Gehirn wieder zu arbeiten begann und sein Herzschlag sich beruhigte. Es war ein Fehler gewesen, sich auf ein Gespräch einzulassen. Aber es war so lange her, dass er zuletzt mit jemandem geredet hatte. Und dann diese Frau ⦠Voller Wut auf sich selbst griff er zu einem Handtuch und rubbelte sich energisch den Kopf. Schluss damit. Zurück an die Arbeit.
Als er auf dem Weg ins Schlafzimmer aus dem Küchenfenster blickte, fiel ihm ein roter Transporter auf, der hinter dem alten Dodge hielt, auf den Vordersitzen drei dunkle Gestalten. Er blieb stehen und sah einen Moment zu. Niemand stieg aus, doch dann ging jemand auf das Fahrzeug zu. Die Frau aus der Bar. Sie winkte den Männern im Transporter zu und deutete auf sein Haus.
Er musste nicht hinsehen, um zu wissen, was als Nächstes geschehen würde.
Danny packte in aller Eile sämtliche Unterlagen, Notizen, Zeichnungen und Fotos zusammen und stopfte sie in eine Plastiktüte. Mit klopfendem Herzen eilte er die Treppe hinunter zur Wohnung seiner Wirtin und klopfte an die Tür.
»Margarita! Margarita, bitte! Hier ist Danny. Ich brauche Ihre Hilfe. Bitte, Margarita!« Keine Antwort. Er klopfte erneut.
»Was soll das werden? Wollen Sie die Toten auferwecken?« Margaritas Mann öffnete in Hemdsärmeln und Hosenträgern, sein groÃer Bauch hing ihm über den Hosenbund. Im Hintergrund lärmte ein Fernseher.
»Bitte, nehmen Sie das und schicken Sie es an folgende Adresse â¦Â« Er reichte dem Mann die Tüte voller Papiere, die bereits an mehreren Stellen zu reiÃen drohte, und kritzelte Namen und Adresse seines alten Schulkameraden Markus Cartright auf einen Zettel. Freund wäre zu viel gesagt gewesen â heutzutage hatte Markus sowieso nur noch Zeit für seine Arbeit und seinen Suff. Als Danny zuletzt in London gewesen war und sich telefonisch bei ihm gemeldet hatte, hatte er nicht einmal zurückgerufen. Danny zögerte kurz, ehe er den Zettel mitsamt einem Fünfzigdollarschein übergab. Hoffentlich musste er diese Entscheidung nicht irgendwann bereuen.
»Wer ist da?«, ertönte Margaritas Stimme über das Dröhnen des Fernsehers.
»El loco de arriba«, rief ihr Mann zurück. Der Spinner von oben . »Er will, dass wir etwas für ihn bei der Post aufgeben.«
»Ja, ja«, kam die Erwiderung in ungeduldigem Ton. Um diese Tageszeit schaute sie Mi Pecado , ihre Lieblingsseifenoper. Da lieà sie sich von nichts und niemandem stören.
»Ja, ja«, wiederholte ihr Mann und nahm die Tüte entgegen.
Drei Stufen auf einmal nehmend stürmte Danny in seine Wohnung zurück. Er zerlegte seinen Laptop mit einem Brotmesser und zertrat die Festplatte. Die restlichen Papiere übergoss er mit Feuerzeugbenzin und zündete sie an. Dann setzte er sich vor das Feuer und sah zu, wie die Zeichnungen an der Wand im flackernden Schein tanzten.
4
Flood Street, London, zwei Wochen später
Die StraÃe war auf die Seite gekippt, und trotzdem blieben die Reifen des Wagens irgendwie an der vertikalen Fläche haften. Markus Cartrights whiskygetränktes Hirn verstand nicht recht, warum sie nicht alle abrutschten und mit lautem Platschen in die Themse fielen.
»Noch so eine Nummer wie diese, und Sie sind wegen Beamtenbeleidigung dran«, sagte die Stimme über ihm.
Markus zuckte zusammen, als sich das Knie des Mannes in seinen Rücken bohrte und seine Wange gegen die raue Oberfläche der StraÃe
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