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Das mittlere Zimmer

Das mittlere Zimmer

Titel: Das mittlere Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Lempke
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denen, wo Ihr Mann gestern war.“
    „Gute Idee “, lobte Rike und lächelte abwesend.
    Die beiden Kommissare verabschiedeten sich, aber Rike war sicher, sie nicht zum letzten Mal gesehen zu haben. Als sie allein die Treppen hinaufstieg, merkte sie, wie ihre Stimmung sich verdunkelte. Als sie allein mit einer Tasse Kaffee am Küchentisch saß, war ihr, als falle sie in eine schwarze Leere, die die ganze Zeit in ihr gelauert hatte und die ihr keinen Halt und ke inen Sinn mehr bot. Ihr Kind war tot, die beiden Männer, die sie geliebt hatte, waren tot, ihre Eltern waren tot.
    Sie hatte Rache geübt, und auch das Gefühl der Befriedigung darüber hatte sich ve rflüchtigt. Rache war ein kurzes Vergnügen. Rache gab dem Leben nur vordergründig einen Sinn. Dahinter herrschte die nackte Verzweiflung, der zurückkehrende Schmerz.
    Tränen stiegen in Rikes Augen. Reglos saß sie auf ihrem Stuhl in der Küche und starrte, während die Tränen über ihr Gesicht liefen, stumm aus dem Fenster ins buchstäblich Leere. In die unerträgliche Leere ihres zukünftigen Daseins. ,Sofa‘ . Das Wort schoss aus dem Nichts mitten in ihren Verstand hinein. Rike hörte nicht hin. Sie versuchte sich an Hannahs Gesicht zu erinnern, sie wollte den Schmerz spüren, den ganzen, vernichtenden Schmerz, wollte sich das Herz zerreißen lassen vom Schmerz, wollte sterben. ,Sofa‘ .
    Diesmal reagierte Rike verärgert. Wie kam dieses dumme Wort dazu, ihre unermessliche Trauer zu stören?!
    ,Sofa‘ .
    Das Wort blähte sich auf, drängte alle Gedanken und Gefühle und sogar den Schmerz in den Hintergrund und brachte Rike dazu, aufzustehen und ins Woh nzimmer zu gehen. Was wurde hier gespielt?
    Im Wohnzimmer ließ sie ihren Blick von einem Sofa zum anderen wandern und wieder z urück. Und was jetzt? Auf einmal sah sie es: war es eine Vision, eine Halluzination? Sie sah sich selbst auf Knien, eine Hand unter der vorderen Sofablende. Es war das linke Sofa, das genau wie die anderen auf zehn Zentimeter hohen Kugelfüßen aus Holz stand.
    Rike schob den Couchtisch ein Stück beiseite, ließ sich auf ein Knie nieder, stützte sich mit der linken Hand auf dem Sitz ab, fasste mit der rechten unter das Sofa und tastete vorsichtig die Rückse ite der Blende ab.
    Ihre Finger berührten etwas Kaltes, und Rike wusste sofort, was es war. Ein Schlüssel. Ihre Finger wanderten we iter. Noch ein Schlüssel ... und noch einer.
    Rike zog sie alle von der Magnetleiste ab, die Johann unter dem Sofa montiert hatte, erhob sich, ging in den Flur und blieb vor der Tür zum mit tleren Zimmer stehen. Ihr Herz schlug schneller, aber Angst verspürte sie nicht. Eher eine seltsam erregende Mischung aus Wut und Neugier. Endlich würde sie ,Isis‘ zu Gesicht bekommen.
    Was würde sie sehen? Ein gewaltiges blaues Schlangenmonster mit fünf Köpfen? Nein, i rgendwie zu irdisch, die Vorstellung. Was machte ein Wesen aus den Tiefen des Alls aus? Schleimigkeit? Hunderte von Tentakeln? Völlige Körperlosigkeit?
    Sie steckte den ersten Schlüssel ins Schloss, doch der passte nicht. Der zweite nicht, der dritte nicht. Aber der vierte, der ließ sich im Schloss drehen.
    Rikes Herz klopfte noch ein bisschen schneller, noch ein bisschen kräftiger, als sie die Tür aufzog, die sich, wie ihr erst jetzt auffiel, nach außen öffnete. Im ersten Moment dachte sie, eine gewaltige Wassermenge würde auf sie herabstürzen und sie hinwegschwemmen. Automatisch machte sie einen Schritt rückwärts. Aber das Wasser blieb, wo es war, denn es war kein Wasser.
    Es war eine halbfeste, hal bdurchsichtige, von innen zartblau leuchtende Substanz, die das mittlere Zimmer völlig ausfüllte. Ab und zu zuckten winzige Lichtblitze durch die Substanz, und Rike glaubte, ein sehr feines, sehr hohes, permanentes Summen zu hören. Und sie glaubte, eine feine Spannung der elektrischen Art auf ihrer Haut zu spüren, die ihr alle Haare aufrichtete ... eine feine Spannung, verbunden mit einer unmerklichen Anziehung.
    Rike ließ die Türklinke los und trat einen Schritt näher. In der Wand gegenüber der Tür b efand sich ein Fenster, eins von denen, deren blaue Fensterläden immer geschlossen waren. Das Fenster, das von der hellblauen, geleeartigen Masse verdeckt wurde, erschien fern und blass und undeutlich und verzerrt. Und jetzt lief eine schwache Wellenbewegung daran vorbei.
    Rike machte einen weiteren Schritt nach vorne, und sah nach unten. Genauso blass und u ndeutlich wie das Fenster waren die Reste von

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