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Das Mörderschiff

Das Mörderschiff

Titel: Das Mörderschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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aus.
    »Und was passiert, wenn er über Bord springt, Sir?«
    »Muß ich dir das noch sagen, Jacques?«
    »Nein, Sir.«
    Ich war genauso intelligent wie Jacques. Auch mir brauchte er es nicht extra zu erklären. Ich hatte ein scheußliches trockenes Gefühl in der Kehle und im Mund. Eine Minute hatte ich noch Zeit, nicht mehr, dann würde es zu spät sein. Leise schlich ich mich zum Dach der Funkkabine hin, zur Steuerbordseite, der Seite, die am weitesten von dem Punkt entfernt war, wo Kapitän Imrie seinen Leuten kurze Befehle gab. Dort ließ ich mich geräuschlos auf das Deck hinunter und schlich mich zum Ruderhaus.
    Drinnen brauchte ich meine Taschenlampe nicht. Die Spiegelung der großen Bogenlampen gab mir genügend Licht. Ich kauerte mich nieder und blieb unterhalb der Fensterlinie. Ich sah mich um, und mein Blick fiel sofort auf das, was ich suchte. Eine Metallkiste mit Leuchtkugeln für Notfälle.
    Mit zwei schnellen Schnitten hatte ich die Lederriemen gelöst, die die Kiste mit den Leuchtkugeln am Boden befestigten. Ein Seilende von vielleicht dreieinhalb Metern verknotete ich an einem Griff der Kiste. Aus meiner Jackentasche holte ich einen Plastiksack und zog dann schnell meine Seemannsjacke und die Hosen aus, die ich über dem Taucheranzug trug. Ich stopfte sie in den Sack und band ihn um meine Hüften. Die Jacke und die Hose waren sehr wichtig gewesen. Eine Gestalt, die in einem tropfenden Gummitaucheranzug über die Decks der ›Nantesville‹ geschlichen wäre, hätte dies kaum tun können, ohne Aufsehen zu erregen. Hingegen in der Dämmerung und mit dem Seemannsanzug konnte ich leicht für ein Besatzungsmitglied gehalten werden. Und auf eine gewisse Entfernung hatte ich dies auch schon zweimal erreicht. Und genauso wichtig war es für mich, als ich den Hafen von Torbay noch am hellen Tag verließ. Der Anblick einer Gestalt in einem Taucheranzug, die gegen Abend in die See hinausrudert, hätte bestimmt Aufsehen erregt, da sich die Neugier der Bewohner der kleineren Häfen des westlichen Hochlandes und der Inseln in dieser Hinsicht, wie ich hatte feststellen können, kaum von der ihrer Brüder auf dem Festland unterschied. Manche würden es vielleicht noch bösartiger formulieren.
    Noch immer kriechend schob ich mich durch die Tür des Ruderhauses auf die Steuerbordseite der Brücke zu. Als ich am äußersten Ende angekommen war, richtete ich mich auf. Das war unumgänglich. Dieses Risiko mußte ich eingehen. Jetzt oder nie – ich konnte bereits von weitem die Besatzung hören, die sich bei ihrer Suchaktion langsam auf mich zubewegte. Ich hob die Kiste mit den Leuchtkugeln über die Seite, solange der Strick reichte, und begann sie langsam und vorsichtig hin und her zu schwingen. Wie ein Handloter sein Lot schwingt, ehe er es auswirft.
    Die Kiste wog mindestens vierzig Pfund, aber ich bemerkte das Gewicht kaum. Bei jedem Schwung wurde der Bogen des Pendels größer. Jetzt hatte er bereits einen Winkel von ungefähr 45 Grad erreicht; das war ungefähr das Äußerste, was ich erreichen konnte. Die Zeit lief mir davon, und auch meine Glückssträhne mußte sich langsam dem Ende nähern. Ich kam mir beinah so auffällig vor wie ein Trapezkünstler unter einem Dutzend Scheinwerfer, und auch genauso gefährdet. Als die Kiste bei ihrem letzten Schwung nach hinten war, gab ich dem Tau mit aller Kraft einen endgültigen Stoß, um die größte Geschwindigkeit und die größte Entfernung zu erreichen. Dann ließ ich mich hinter den Windfang aus Segeltuch fallen. Während ich fiel, erinnerte ich mich, daß ich in die verdammte Kiste kein Loch gemacht hatte. Ich hatte keine Ahnung, ob sie schwimmen oder sinken würde, aber ich war mir durchaus darüber im klaren, was passieren würde, wenn sie nicht sänke. Eins war auf jeden Fall sicher: Es war zu spät, sich darüber noch den Kopf zu zerbrechen.
    Ich hörte, wie auf dem Hauptdeck, etwa sieben bis zehn Meter von der Brücke entfernt, ein Schrei ausgestoßen wurde, und vermutete, daß man mich entdeckt hatte, aber das stimmte nicht. Eine Sekunde nach dem Schrei hörte ich den lauten, beruhigenden Aufschlag, und eine Stimme, die ich als zu Jacques gehörig erkannte, rief: »Er ist über Bord gegangen, Steuerbord hinter der Brücke. Schnell, gebt mir einen Suchscheinwerfer!« Er mußte, wie befohlen, nach hinten gegangen sein und dabei den Fall des dunklen Gegenstandes gesehen haben, wobei er die einzig logische Schlußfolgerung zog. Jacques war ein gefährlicher

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