Das Molekular-Café
antagonistischen
Widersprüchen nicht fertig zu werden, selbst wenn es sich Computer
zu Hilfe holt.
Die utopische Literatur steht in der
Auseinandersetzung über die mit der Denkmaschine verbundenen
Probleme nicht abseits. Günther Krupkats »Insel der
Angst« deckt im Individualismus die weltanschauliche Wurzel der
Angst vor dem Roboter auf. Selbstbehauptung um jeden Preis ist für
die sozialistische Menschengemeinschaft ein Anachronismus. Folgerichtig
führt ihre maschinelle Verkörperung ins Absurde. Professor
Demens’ Roboter erhebt sich nicht deshalb über den Menschen,
weil das die Perspektive des künstlichen Gehirns wäre,
sondern weil der in seinem Grundprogramm vorgegebene brutale Egoismus,
die technische Imitation einer dem Kapitalismus zugehörigen
Verhaltensweise, ihn unvermeidlich zu einem Menschenfeind macht. Der
»Aufstand der Roboter« wird als das gekennzeichnet, was er
tatsächlich ist: eine gesellschaftlich bedingte philosophische
Fehlleistung, eine Wahnidee.
Dieses Thema wird mehrfach variiert. In Alexander
Lomms »Gestohlenen Techminen« überwiegt der heitere,
in Wladimir Firsows »Meuterei auf dem Mond« der heroische,
in Konrad Fialkowskis »Gigantomat« der dramatische Akzent.
Alle drei Autoren bewegt das gleiche Anliegen. Die Denkmaschine ist
nach einem unter Wissenschaftlern üblichen Terminus nichts anderes
als ein intelligenter Idiot. Der Mensch bleibt das schöpferisch
tätige Wesen, das historisch gewordene Subjekt der
gesellschaftlichen Bewegung. Er trägt die Verantwortung, niemand
kann sie ihm abnehmen. Daß er seiner Aufgabe nur im Kollektiv
gerecht werden kann, wird in einigen der genannten Erzählungen
nicht in die Gestaltung einbezogen, wohl aber als
selbstverständlich vorausgesetzt.
Andere Erzählungen des Bandes scheinen zu dem
Gesagten in gewissem Gegensatz zu stehen. Hier schreitet die utopische
Literatur die ihr innewohnenden literarischen Möglichkeiten weiter
aus. In Siegbert G. Günzels Erzählung »Nichts als
Ärger mit dem Personal« treten die Roboter recht
selbständig auf. Die entwickeln menschlich anmutende Gefühle,
befeinden einander und schwingen sich schließlich zum
Sittenrichter über den Menschen auf. Eine Entgleisung des Autors?
Oder ein makabrer Spaß?
Die literarische Utopie kennt viele Haltungen, die
tragische ebenso wie die komödiantische, die bitterernste wie die
ironische. Vor allem ist sie niemals Selbstzweck. Günzel geht es
ja gar nicht um die Auslotung des Roboterproblems. Das Kunstwesen dient
ihm als Requisit, um verstaubte Anschauungen, spießige
Ehebeziehungen zu belächeln. Er erzählt die alte Geschichte
des Pantoffelhelden, dem es endlich gelingt, seiner willensstarken
Gattin ein Schnippchen zu schlagen und sein ramponiertes
Selbstbewußtsein aufzupolieren. Indem er die Handlung in eine
fiktive Zeit verlegt, die der unseren technisch weit voraus ist, in
gesellschaftlicher Hinsicht aber hinterherhinkt, gewinnt er dem alten
Thema eine komische neue Seite ab. Ein harmloser Spaß also, nicht
ohne Bedeutung.
Warschawski dagegen versucht, uns den Roboter
sowohl von der heiteren als auch von der ernsten Seite zu zeigen. Sein
Humor schmeckt allerdings zuweilen bitter, und seine Absicht ist
manchmal schwer zu ergründen. Die Figur des Robbi dürfte
vermutlich kaum ernst gemeint sein, sie deutet eher auf ein
phantastisches Abbild des modernen jungen Rüpels hin, dessen
flegelhafte, sich mit angelernten Kenntnissen brüstende
Überheblichkeit schon manchen Eltern Kopfschmerz und Herzeleid
verursacht hat.
Die intellektuelle Kybella allerdings kann nur als
Warnung verstanden werden. Eine Gesellschaft, die den Menschen an
Intellekt überragende, ja zu Genialität neigende und sich
fortpflanzende Automaten nicht nur hervorbringt, sondern sogar dem
Menschen gesetzlich gleichstellt, ist nicht vorstellbar.
Entläßt der Mensch die Technik aus seinem Dienst, verleiht
er ihr Selbständigkeit und Unabhängigkeit, dann gibt er nicht
nur die bereits bezwungenen Naturgewalten aus der Hand. Die
Gleichstellung des hochgezüchteten Automaten mit dem Menschen
würde zum Zerfall der Wechselbeziehungen zwischen Individuum,
Gesellschaft, Technik und Natur führen. So etwas gibt es auch
nicht in der Klassengesellschaft. Die herrschende Oberschicht versucht
zwar heute bereits, mit Hilfe von Computern ihr Regime gegen alle
Erschütterungen abzusichern, würde aber niemals ihre Macht
mit technischen Imitationen teilen, und wären sie noch
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