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Das Molekular-Café

Das Molekular-Café

Titel: Das Molekular-Café Kostenlos Bücher Online Lesen
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und
leuchtete der Raum von Farben. Aus den Trionenschirmen waren die
mathematischen Abhandlungen, die dicken Folianten und die dünnen
Bändchen verschwunden. In der kalten, silbrigschimmernden Tiefe
der Schirme erschienen porzellanene Wunderwerke, Schalen, auf denen
konzentrische Wirbel von himbeerfarbenen und goldenen
Blütenblättern sich bei flüchtigem Hinsehen in die
entgegengesetzte Richtung zu drehen begannen, feingeschliffene
Kristalle, springende Hirsche und küssende Lippen. Sie wurden
abgelöst von altertümlichen, mit grellbunten Farben,
wechselnden Rhythmen in Silber und Blut, Silber und Feuer, Silber und
Veil bestickten Geweben. Sie wurden verdrängt Von griechischen
Vasen mit den Linien nackter Hüften, Henkelkrügen,
allmählich sich weitenden, wie in Erwartung dunklen Weines sich
öffnenden Krügen und Flaschen, die mit krähenden
Hähnen bemalt waren, und prähistorischen Amphoren, deren
Oberfläche von der Erde zerfressen war und deren Bauchung ein
Reigen weißer Schatten zierte.
    Jeden dieser Gegenstände ordnete Smur einer
bestimmten Gruppe von Symbolen zu. Dann begann er die eingehende
Untersuchung. Auf den Befehlspulten entstanden Projektionen und
Schnitte verschiedener Körper – Hyperboloide, Kalotten,
einander durchdringende Kegel, Vielflächer mit abgestumpften
Ecken, Tori, die Deformationen höheren Grades unterworfen waren,
und Polytrope.
    In Metall, Glas und Kristall geätzte
Gestalten, die sich wie Getreide im Wind neigten, wandelten sich um in
gleichförmige Zahlenreihen, Zahlenketten, vielseitige Diagramme
und ein Dickicht von Kurven, die die Ränder uralter Urnen
aufrollten und die schwingenden Sinuskurven des Tones erklärten.
    Dann kamen Bilder an die Reihe.
Im hellen Schein der Trionenbildschirme tauchten die hohen, lichten
Himmel Hobbemas, die wogenden Linien Goyas, die mit unwägbarem
Licht gefüllten Gemächer Vermeers, die lebenstrotzenden
Gestalten Tizians, die aus goldbrauner Dunkelheit wachsenden Menschen
Rembrandts auf. Nächtelang saß er vor ihnen, zielte mit
seinen optischen Geräten auf zarte Silhouetten schwebender Engel
und auf schnaubende, schaumbedeckte Pferde, untersuchte das
Größenverhältnis der Gestalten, ihre Verteilung im
Raum, die Achsen der Perspektive in Flecken von goldgelbem Ocker und
Elfenbeinschwarz, Zinnober und Indigo, Karmin und Sepia, in den
Flächen von Venezianisch- und Indischrot. Im Kräftespiel des
Lichts und der Schatten analysierte er die Winkel und die Grenzen. Er
schuf äußerste Extreme und auflösbare Gruppen und aus
ihnen fundamentale Potenzen, Reihen und Pole im Unendlichen. Je weiter
er in seinen Forschungen fortschritt, desto größer wurde der
Widerstand, wurden die Schwierigkeiten, auf die er stieß. Jedes
dieser Bilder besaß nicht nur ein einziges mathematisches
Gerippe, sondern eine beliebig große Zahl. Die Grenzen der
Gestalten, das Verhältnis der Farbflecken zueinander, die
Proportionen der menschlichen Körper, obschon vom Riesenapparat
der Analyse bis in feinste Fasern aufgegliedert, verteidigten zäh
ihre Geheimnisse. Er geriet auf Irrwege, auf ganz zufällige,
belanglose Beziehungen, die auch in wertlosen Bildern auftraten. Aber
ihm ging es um die mathematische Analyse der Elemente, die das
Schöne, das absolut Schöne bilden; sie wollte er in einer
vollkommenen, in sich geschlossenen Formel zusammenfassen und
ausdrücken, die alles in sich enthielt, alles umfaßte, wie
die Formel der Schwerkraft den Aufbau des ganzen Weltalls
ausdrückt.
Auf langen Wanderungen suchte er Erholung von der geistigen
Überanstrengung. Wenn er auf stillen Waldwegen dahinschritt, dann
sah er häufig in der Linie der dunklen Wipfel nur geometrische
Kurven und suchte nach ihrer Funktionsgleichung. Manchmal schienen sie
Fingerzeige für mögliche Lösungen zu sein. In den
Nächten saß er dann wieder vor seinen Apparaten, lauschte
dem dumpfen, monotonen Rasseln und Klirren, dem Summen der kreisenden
Ströme, die gehorsam viele Tausende Berechnungen ausführten,
bis sich seine Erkenntnis zu einem grauen Kreis verengte, in dem die
ganze Vielfalt der Farben, Skulpturen, Schnitzereien, Formen, Polynome
durcheinanderwirbelte. Häufig schlief er, den Kopf auf die Arme
gelegt, unter dem großen Bildschirm ein, in dem immer langsamer
im kalten Licht grünlich funkelnde Kurven aufzuckten.
Endlich kam die Stunde, in der er die in unzähligen schlaflosen
Nächten so heiß gesuchte Formel auf einem Blatt Papier
notieren konnte. Sie war einfach und klar

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