Das Monster von Bozen
bestand kein Zweifel –, konnte er gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Eine dreiste Zeugin beseitigen, jeglichen Verdacht von sich abwenden, Gemini endgültig ins Gefängnis bringen und damit die eigene Position ein für alle Mal sichern.
Im Leben war es oft so. Da lief scheinbar etwas aus dem Ruder, aber wenn man genau hinsah, war das Gegenteil der Fall. Wenn man denn so messerscharf hinsehen konnte wie er. Das konnten eben die Wenigsten.
Sabrina, dieses Miststück, würde ihre letzte Lektion lernen müssen, auf qualvolle Weise. Es reichte nicht, sie zu beseitigen, sie musste, anders als die bisherigen Störelemente, erfahren, warum es geschah. Er würde nicht blind zuschlagen, sondern sie erst gründlich in die Enge treiben. Und dann, wenn sie begriff, dass es für sie kein Entkommen mehr gab, war sie fällig! Niemand forderte ihn ungestraft derart heraus, niemand!
***
Parlotti hatte den Inhalt der Einkaufstaschen auf ihrer Arbeitsplatte ausgebreitet. Die Auswahl würde Klaus beeindrucken: Crêpes mit Spinat und Crème fraîche, Auberginenauflauf, Südtiroler Speck, Lumaconi aus Gragnano, dazu Lachs, Kaviar und Pasteten. Sie schaute auf die Uhr, fast sechs. Bald würde sie mit ihm an ihrem Esstisch aus Ahornholz sitzen. Sie schloss die Augen und überlegte sich die Dekoration für den Abend.
Sie stellte ihre großen Bodenkerzenständer direkt an und den fünfarmigen Leuchter auf den Tisch und bestückte zwei Platzsets mit Besteck und Gläsern. Die Gläser für den Aperitif durfte sie nicht vergessen! Klaus würde bestimmt etwas ganz Besonderes mitbringen. Während sie sich um eine behagliche Atmosphäre kümmerte, dachte sie voller Abscheu an gestern, an den unerfreulichen Abend mit Franz Junghans und ihre fürchterliche Rückfahrt.
Franz hatte ihr mit seinem Verhalten gezeigt, wie wahnsinnig und unberechenbar er war. Hatte sie überhaupt die Eingangstür hinter sich geschlossen, nachdem sie mit den vollen Tüten die Wohnung betreten hatte? Sie lief in den Flur und sah mit pochendem Herzen, dass sie es in ihrer Nervosität tatsächlich vergessen hatte. Unsicher und gehetzt blickte sie sich um, lauschte in die Stille – nichts. Schnell schloss sie die Tür.
Aufgewühlt ging sie zurück ins Esszimmer und vollendete ihr Werk mit einem Blumenstrauß. Sie duschte, tupfte »Rococo« von Joop, ihr Parfum für die wenigen besonderen Momente in ihrem Leben, auf Handgelenke, Hals und Dekolleté, zog sich ihre seidene Bluse an und, passend zu ihrer verführerischen Neuerwerbung, den kürzesten Rock, den sie besaß. Vorsorglich legte sie schon eine CD ein, Sades »Lovers Rock« erschien ihr als ideale musikalische Begleitung für einen romantischen, zukunftsträchtigen Abend. Wenn Klaus erst einmal vor ihr stand und sie anlächelte, würde sie bestimmt zu aufgeregt sein, um noch an die CD zu denken.
Sie sah wieder auf die Uhr, gleich sieben, jeden Moment würde es klingeln. Sie war so nervös wie ein Teenager vor dem ersten Mal. Sie musste über sich selbst lachen. Warum diese Panik? Weil sie vergessen hatte, die Wohnungstür zu schließen? Lächerlich. In ihr tobten die Gefühle mit einer bisher unbekannten Intensität. Verunsicherung, Zweifel, zugleich Neugier, Freude und Lust, eine fast animalische Lust. Was sie irritierte, war die Tatsache, dass sie all das gleichzeitig empfand.
Sie hatte gerade die letzte Kerze angezündet, als es klingelte. Fünf vor sieben. Er war sehr pünktlich. Sie sah an sich herunter, startete die CD und betätigte den Türöffner. Schritte im Hausflur, Sekunden später stand er vor ihr. »Hallo, Sabrina!«
***
»Salve, Vice-Questore. Jetzt beginnt unser Part.«
»Das lässt sich ja nicht mehr vermeiden.« Baroncini sah die besorgten Gesichter seiner Mitarbeiter und hob beschwichtigend die Hände. »Keine Sorge, ich bekomme keine kalten Füße. Aber ich bin nicht weniger nervös als Sie. So ein hohes Risiko ohne ein sicheres Ergebnis. Außerdem ist es eine Weile her, dass ich Polizeiarbeit auf der Straße verrichtet habe.«
»Sie müssen nicht mitmachen, Vice-Questore, zwei Mann würden reichen, abgesehen davon, dass wir einen Kollegen aus der Bereitschaft mitnehmen können.«
Doch das entsprach nicht Baroncinis Art. »Das kommt nicht in Frage. Ich will dabei sein, egal, was passiert. Wenn ich einen solchen Plan absegne, kann ich mich bei der Ausführung nicht hinter meiner Funktion verschanzen und sagen: Macht mal. Gemini ist unter Kontrolle?«
»Ja,
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