Das Monstrum
das Schreien eines Kindes, das sich in den Klauen eines Albtraums befindet.
Nackt bis auf die Socken ging sie ins Wohnzimmer und kniete neben Peter nieder, der immer noch auf dem Teppich beim Ofen lag.
»Pete«, murmelte sie. »He, Pete, beruhige dich.«
Sie streichelte den Hund. Peter zitterte und zuckte weg, als Anderson ihn berührte, und entblößte die kümmerlichen Überreste seiner Zähne. Dann machte er die Augen auf – das gesunde und das kranke – und schien wieder zu sich zu kommen. Er wimmerte schwach und klopfte mit dem Schwanz auf den Boden.
»Alles klar?«, fragte Anderson.
Peter leckte ihr die Hand.
»Dann leg dich wieder hin. Hör auf zu winseln. Das nervt.«
Peter legte sich hin und machte die Augen zu. Anderson kniete neben ihm und musterte ihn besorgt.
Er träumt von diesem Ding.
Ihr Verstand verwarf das, aber die Nacht beharrte auf ihrem eigenen Imperativ – es stimmte, und sie wusste es.
Schließlich ging sie zu Bett und schlief gegen zwei Uhr morgens ein. Sie hatte einen seltsamen Traum. Darin tastete sie in der Dunkelheit, versuchte aber nicht, etwas zu finden, sondern von etwas fortzukommen. Sie war im Wald. Zweige schlugen ihr ins Gesicht und zerkratzten ihr die Arme. Manchmal stolperte sie über Wurzeln und umgestürzte Bäume. Und dann leuchtete plötzlich vor ihr ein schreckliches Grün in einem einzigen bleistiftdünnen Strahl auf. In ihrem Traum dachte sie an Poes »Das verräterische
Herz«, die Laterne des wahnsinnigen Erzählers, die bis auf ein winziges Loch abgedeckt war, durch das er einen Lichtstrahl auf das böse Auge lenkte, welches sein Wohltäter seiner Meinung nach besaß.
Bobbi Anderson spürte, wie ihr die Zähne ausfielen.
Sie fielen schmerzlos heraus, alle miteinander. Die unteren wankten, manche fielen nach draußen, manche in ihren Mund, wo sie wie kleine harte Klümpchen auf der Zunge oder darunter lagen. Die oberen fielen einfach an der Vorderseite ihrer Bluse hinunter. Sie spürte, wie einer in ihren BH fiel, der vorn geschlossen wurde, und in ihre Haut stach.
Das Licht. Das grüne Licht. Das Licht …
5
… war falsch.
Es war nicht nur, dass es grau und perlmuttartig war, dieses Licht; man erwartete, dass ein Wind, wie der in der Nacht zuvor, eine Wetterveränderung mit sich brachte. Aber noch bevor sie auf die Uhr auf dem Nachttisch sah, wusste Anderson, dass noch etwas anderes nicht stimmte. Sie hob sie mit beiden Händen auf und hielt sie dicht vors Gesicht, obwohl sie eine perfekte Sehkraft von 20/20 hatte. Es war Viertel nach drei Uhr nachmittags. Zugegeben, sie war spät zu Bett gegangen. Aber wie spät sie auch ins Bett ging, entweder Gewohnheit oder der Drang, Wasser zu lassen, weckten sie immer um neun Uhr, spätestens um zehn. Und nun hatte sie volle zwölf Stunden geschlafen – und sie war heißhungrig.
Sie schlurfte ins Wohnzimmer, immer noch nur mit Socken
bekleidet, und sah, dass Peter schlaff auf der Seite lag; er hatte den Kopf zurückgelegt und die Beine von sich gestreckt, die gelben Zahnstummel waren zu sehen.
Tot, dachte sie mit kalter und absoluter Gewissheit. Peter ist tot. In der Nacht gestorben.
Sie ging zu ihrem Hund und erwartete bereits, kaltes Fleisch und lebloses Fell zu spüren. Dann gab Peter einen grunzenden Laut von sich, bei dem die Lippen flappten – ein nuscheliges Hundeschnäuzen. Anderson spürte, wie große Erleichterung sie durchlief. Sie sprach den Namen des Hundes laut aus, und Peter schnellte fast schuldbewusst in die Höhe, als wäre auch er sich bewusst, dass er verschlafen hatte. Anderson vermutete, dass es so war – Hunde schienen einen ausgeprägten Zeitsinn zu haben.
»Wir haben verschlafen, mein Alter«, sagte sie.
Peter stand auf und streckte zuerst ein Hinterbein, dann das andere. Er sah sich auf beinahe komisch verwirrte Art um, dann ging er zur Tür. Anderson machte sie auf. Peter stand einen Augenblick da, weil ihm der Regen nicht gefiel. Dann ging er hinaus, um sein Geschäft zu erledigen.
Anderson blieb noch einen Augenblick im Wohnzimmer stehen und wunderte sich über ihre vorherige Gewissheit, dass Peter tot war. Was, zum Teufel, war in letzter Zeit mit ihr los? Alles war düster und finster. Dann ging sie in die Küche, um eine Mahlzeit zu bereiten – wie auch immer man ein Frühstück um drei Uhr nachmittags nannte.
Sie machte einen Abstecher ins Bad, um ihr eigenes Geschäft zu erledigen. Dann blieb sie stehen und betrachtete ihr Ebenbild in dem mit Zahnpasta bespritzten
Weitere Kostenlose Bücher