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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Spiegel. Eine Frau, die auf die vierzig zuging. Ergrauendes Haar, ansonsten nicht übel – sie trank nicht viel, rauchte nicht viel und verbrachte die meiste Zeit im Freien, wenn sie nicht schrieb. Schwarzes irisches Haar – nicht rot, wie in Liebesromanen
– , etwas zu lang. Graublaue Augen. Sie entblößte unvermittelt die Zähne und erwartete einen Augenblick tatsächlich nur glattes rosa Zahnfleisch zu sehen.
    Aber ihre Zähne waren da – alle. Dafür konnte sie dem mit Fluor angereicherten Wasser in Utica, New York, danken. Sie berührte sie und ließ ihre Finger dem Gehirn ihre knochige Realität beweisen.
    Aber etwas stimmte nicht.
    Nässe.
    Nässe auf ihren Oberschenkeln.
    O nein, o Scheiße, es ist fast eine Woche zu früh, ich habe erst gestern das Bett frisch bezogen …
    Aber nachdem sie geduscht und eine Binde in einen frischen Baumwollschlüpfer geschoben und das Ergebnis angezogen und zurechtgerückt hatte, überprüfte sie die Laken und stellte fest, dass sie keine Flecken aufwiesen. Ihre Periode war zu früh gekommen, aber sie war immerhin so rücksichtsvoll gewesen, zu warten, bis sie fast wach war. Es bestand auch kein Grund zur Sorge, normalerweise kam sie zwar regelmäßig, aber sie war auch schon verfrüht oder verspätet gekommen; vielleicht als Folge der Ernährung, vielleicht unterbewusster Stress, vielleicht eine innere Uhr, die ein oder zwei Zähne eines Zahnrades übersprang. Sie verspürte nicht den Wunsch, schnell alt zu werden, aber sie dachte oft, dass es eine Erleichterung sein würde, das ganze lästige Geschäft mit der Menstruation hinter sich zu haben.
    Der letzte Rest ihres Albtraums verflog, und Bobbi Anderson machte sich an die Zubereitung eines verspäteten Frühstücks.

Kapitel zwei
Anderson gräbt
    1
    An den folgenden drei Tagen regnete es ununterbrochen. Anderson wanderte rastlos durchs Haus, machte mit Peter einen Ausflug im Pick-up nach Augusta, um Vorräte einzukaufen, die sie eigentlich gar nicht brauchte, trank Bier und hörte sich alte Beach-Boys-Platten an, während sie Reparaturen am Haus durchführte. Das Problem war, dass es eigentlich gar nicht so viele Reparaturen zu erledigen gab. Am dritten Tag schlich sie um die Schreibmaschine herum und dachte daran, vielleicht mit dem neuen Buch anzufangen. Sie wusste, wovon es handeln sollte: von einer jungen Lehrerin und einem Büffeljäger, die um 1850 in einen Weidekrieg in Kansas verwickelt wurden – in einer Zeit, als sich jeder im mittleren Teil des Landes, ob er es wusste oder nicht, auf den Bürgerkrieg einzustellen schien. Sie glaubte, dass es ein gutes Buch werden würde, aber sie war nicht der Meinung, dass es schon »fertig« war, was immer das bedeuten mochte (ein sardonischer Imitator erwachte in ihrem Verstand und sagte mit einer Orson-Welles-Stimme: Wir werden keine Zeile schreiben, bevor wir fertig sind). Dennoch zehrte die Rastlosigkeit an ihr, und alle Anzeichen waren da: fehlende Geduld mit Büchern, mit Musik, mit ihr selbst. Eine Neigung abzuschweifen – und dann sah sie die Schreibmaschine an und wollte sie zu einem Traum erwecken.

    Auch Peter schien rastlos zu sein, er kratzte an der Tür, um hinausgelassen zu werden, fünf Minuten später kratzte er, weil er wieder hereinwollte, er trottete durchs Haus, legte sich hin, stand wieder auf.
    Niedriger Luftdruck, dachte Anderson. Das ist alles. Macht uns beide rastlos, launisch.
    Und ihre verdammte Periode. Normalerweise war sie heftig und hörte dann einfach auf. Als drehte man einen Hahn zu. Diesmal tröpfelte es einfach weiter. Böse Waschmaschine, haha, dachte sie humorlos. Am zweiten Tag des Regens saß sie kurz nach Einbruch der Dunkelheit vor der Schreibmaschine, ein leeres Blatt eingespannt. Sie fing an zu tippen, und heraus kamen eine Menge X und 0, wie ein Tic-Tac-To-Spiel eines Kindes, und dann etwas, was wie eine mathematische Gleichung aussah … was blöd war, denn der letzte Mathematikunterricht, den sie gehabt hatte, war Algebra II an der Highschool gewesen. Heutzutage diente ihr das X dazu, ein falsches Wort durchzustreichen, und das war alles. Sie zog das Blatt heraus und warf es weg.
    Am dritten verregneten Tag rief sie nach dem Mittagessen das Englische Seminar der Universität an. Jim unterrichtete nicht mehr dort, und zwar bereits seit acht Jahren, aber er hatte Freunde, mit denen er Kontakt hielt. Muriel im Büro wusste gewöhnlich, wo er sich aufhielt.
    So auch diesmal. Jim Gardener, informierte sie Anderson, hatte an

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