Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
nächsten Angehörigen beginnen. Seht euch meinen Stammbaum an, damit ihr wisst, wie ihr es auf eurer Seite einteilen müsst. Und heute Abend, wenn ihr nach Hause geht, könnt ihr die anderen Mitglieder eurer Familie bitten, euch zu helfen, damit ihr den Rest eintragen könnt. Nach und nach werden wir uns verschiedene Wege ausdenken, wie man Informationen über seine Familiengeschichte und seine Vorfahren finden kann. Jetzt fangt ein frisches Blatt in eurem Heft an und legt los.« Matthew wartete, bis sie sich alle an die Arbeit gemacht hatten, und setzte sich dann an seinen Tisch. Er zog einen Stoß Mathematikhefte zu sich heran und begann, die Aufgaben durchzusehen und zu benoten. Wegen des leisen Gemurmels und Kicherns im Zimmer konnte er sich nicht recht konzentrieren. Als er aufsah, hatte Sam Clewlow einen roten Kopf, und seine Augen glänzten feucht von unterdrückten Tränen. Jonathan Bramley sah schadenfroh drein. »Was ist los?«, fragte Matthew und stand auf. Niemand wollte ihm in die Augen sehen. »Jonathan? Was ist los«? Jonathan presste die Lippen aufeinander. Er wusste es noch nicht, aber seine eigene Dummheit zusammen mit seiner Unfähigkeit, sich zu verstellen, sollte ihm sein ganzes Leben lang immer wieder ein Schnippchen schlagen. »Nix«, murmelte er schließlich.
    »Du kannst es mir jetzt sagen oder nach dem Unterricht hier bleiben und es dann tun«, sagte Matthew streng. Er hatte die Klagen der Lehrer nie begreifen können, die behaupteten, sie kämen mit den Kindern nicht zurecht. Man musste ihnen nur zeigen, wer das Sagen hatte, und es ihnen immer wieder klar machen.
    »Ich hab nur gesagt ...« Jonathan verstummte und sah sich verzweifelt um, ob ihm nicht jemand zu Hilfe käme. »Du hast was gesagt?«
    »Ich hab gesagt, dass wir alle wissen, wer Sams Vorfahr war«, murmelte er vor sich hin.
    »Sehr interessant«, sagte Matthew. »Und an wen genau hast du da gedacht?«
    Jonathans Ohren wurden rot, und er hielt den Blick gesenkt. »Der Affenmann oben im Moor«, flüsterte er mit kaum hörbarer Stimme.
    »Du meinst die Leiche im Moor?«, fragte Matthew. Der gruselige Fund war schon seit ein paar Tagen Hauptgesprächsthema im Dorf.
    Jonathan nickte und schluckte. »Es war nur ein Witz.« »Witze sollten komisch sein«, sagte Matthew tadelnd. »Aber Beleidigungen sind keine Witze. Und es gehört sich nicht, Witze über die Toten zu machen. Als der Mann noch lebte, hatte er Freunde und Verwandte, die ihn gern hatten, genau wie du. Stell dir mal vor, wie du dich fühlen würdest, wenn jemand gestorben wäre, den du gern hattest, und ein gedankenloser Mensch würde Witze über ihn machen.« »Aber Herr Lehrer, es gibt doch niemanden mehr, der sich was aus dem Affenmann macht«, sagte Kylie, die sich nie unterkriegen ließ.
    Matthew stöhnte innerlich. Es würde wieder eines dieser schwierigen Gespräche werden, das wusste er schon jetzt. Er glaubte an den Sinn seiner Arbeit, aber manchmal wünschte er sich, er hätte den Kindern nicht ganz so gut beigebracht, ihre wissbegierigen Köpfchen zu nutzen. »Warum nennst du ihn Affenmann?«, fragte er.
    »Weil, so sieht er doch aus«, meldete sich ein Junge. »Da war eine Sendung im Fernsehen über den einen, den sie unten in Cheshire gefunden haben. Der hat wie 'n Affe ausgesehen.«
    »Deshalb nennen wir ihn den Affenmann«, fügte ein anderer hinzu.
    Sam Clewlow lachte verächtlich. »Das ist ja dumm«, sagte er.
    »Warum ist es dumm, Sam?«, fragte Matthew.
    »Weil der Mann, der im Moor in Cheshire gefunden wurde, in der Steinzeit gestorben ist. Deshalb sieht er so aus. Aber der von hier oben ist nicht so alt. Deshalb sieht er nicht wie 'n Affe aus, er sieht aus wie wir«, sagte Sam bestimmt.
    Unterdrücktes Lachen folgte auf seine Worte. »Der sieht nich aus wie ich«, platzte Jonathan heraus. »Der Jason hat gesagt, er sieht im Gesicht aus wie 'n alter Lederbeutel. Und der muss es wissen, er spielt Darts mit Paul Lister, der wo die Leiche gefunden hat.« Jonathan lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Jetzt, da sie alle an seinen Lippen hingen, war die Demütigung von vorhin vergessen.
    »Vielleicht ist er ja einer von unseren Vorfahren«, meldete sich Sam.
    »Ja«, sagte Kylie begeistert. »Vielleicht ist er ermordet und im Moor begraben worden.«
    »Stimmt. Nämlich, wie war er sonst da hingekommen?«, sagte ein anderer.
    »Er hätte auch einfach verunglückt sein können, als er dort oben war«, sagte Matthew, um ihre Begeisterung für das Makabre

Weitere Kostenlose Bücher