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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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ergriff.
    Sie wollte nicht mehr an Jake denken und wandte sich in dem engen Zimmer, das die Wohnungsbehörde zwar als Schlafzimmer einstufte, das sie aber in bewusster Anmaßung ihr Arbeitszimmer nannte, einem Stoß CDs neben dem Schreibtisch zu. Sie las die Titel und fing bei der Suche nach einem Song, der sie nicht an ihn erinnerte, absichtlich am unteren Ende an. Was war er eigentlich? Ihr Ex? Ihr ehemaliger Liebhaber? Ihr zeitweilig nicht verfügbarer Lover? Wer wusste das? Sie jedenfalls nicht. Und sie hatte wirklich Zweifel daran, dass er nach einer Woche überhaupt noch einen Gedanken an sie verschwenden würde. Leise vor sich hin murmelnd, zog sie Nick Caves Murder Ballads heraus und legte sie ins CD-Laufwerk ihres Computers. Die dunkel grollende Stimme passte so gut zu ihrer Stimmung, dass sie paradoxerweise wie ein Gegenmittel wirkte. Unwillkürlich lächelte Jane.
    Sie nahm das Buch, das sie hatte lesen wollen, bevor Jake Hartnell sie abgelenkt hatte. Aber sie brauchte nur ein paar Minuten, bis ihr klar wurde, wie weit sie in Gedanken davon entfernt war. Ärgerlich über sich selbst schlug sie heftig das Buch zu. Wordsworths Briefe von 1807 würden eben warten müssen.
    Bevor sie sich entschieden hatte, was sie als Nächstes in Angriff nehmen wollte, klingelte der Wecker ihres Mobiltelefons. Jane runzelte die Stirn und verglich die Zeit auf ihrem Telefon mit der auf ihrer Uhr. »Verflixt«, sagte sie. Wie war es möglich, dass es schon nach halb zwölf war? Wo war der Morgen geblieben?
    »Scheiß-Jake«, sagte sie wieder, sprang auf und schaltete den Computer ab. So viel Zeit mit dem Gedanken an ihn zu vertrödeln, wo es doch bessere Dinge gab, auf die man sich stürzen konnte. Sie griff nach ihrer Tasche und ging ins andere Zimmer. Offiziell war dies ihr Wohnzimmer, aber Jane nutzte es als Wohn-/Schlafraum, weil sie lieber einen Raum ausschließlich zum Arbeiten haben wollte. Dadurch war der Rest der Wohnung etwas beengt, aber sie fand, das war kein zu hoher Preis dafür, dass sie einen Platz hatte, wo sie ihre Bücher und Papiere liegen lassen konnte, ohne jedes Mal alles wegräumen zu müssen, wenn sie essen oder zu Bett gehen wollte.
    Das kleine Zimmer bot selbst für ihren spartanischen Lebensstil kaum genug Raum. Ihre Bettcouch nahm den meisten Platz ein, obwohl sie jetzt zusammengeklappt war. An der gegenüberliegenden Wand stand ein Tisch mit drei darunter geschobenen Stühlen. Ein kleiner Fernseher war hoch oben auf einem Wandarm montiert, und ein Knautschsessel lag ganz hinten in der Ecke. Aber mit dem frischen lindgrünen Anstrich wirkte das Zimmer hell und freundlich. Der Couch gegenüber hingen einige farbige Digitalfotos vom Lake District, die auf A3-Format vergrößert und laminiert waren. Mitten in der Landschaft lag Greshams Farm, wo ihre Familie, so weit man zurückdenken konnte, ihr mageres Auskommen gefunden hatte. Egal, wie es draußen vor den Fenstern aussah, Jane konnte morgens in der Welt aufwachen, in der sie aufgewachsen war und die ihr immer noch an jedem einzelnen Tag ihres Stadtlebens fehlte. Sie zog ihre Freizeithose und ihr Oberteil aus Fleecestoff aus und eine enge schwarze Jeans und ein schwarzes Stretchtop mit spitzem Ausschnitt an, das ihre ansehnlichen Brüste betonte. Es war keineswegs ihre Lieblingskleidung, aber die Erfahrung hatte ihr gezeigt, dass sie mehr Trinkgelder von den Gästen bekam, wenn sie ihre Vorzüge unterstrich. Glücklicherweise wirkte sie dank ihres dunklen Teints in schwärzer Kleidung nicht sterbenskrank, und ihr Kollege Harry hatte ihr versichert, dass sie in dem engen Top nicht so plump aussah, wie sie sich vorkam. Nach einem Blick aus dem Fenster auf das Wetter nahm sie ihre Regenjacke vom Haken, streifte sie über und eilte zur Wohnungstür. Es war ihr egal, dass sie alles andere als chic aussah, bei diesem Platzregen war es ihr wichtiger, trocken und warm zur Arbeit zu kommen.
    Jane warf wie immer einen letzten Blick auf die Ansichten vom Lake District, bevor sie in eine völlig andere Welt hinausging. Sie glaubte nicht, dass irgendjemand in Fellhead sich ihre jetzige Umgebung vorstellen konnte, nicht einmal in seinen schlimmsten Träumen. Als sie ihrer Mutter gesagt hatte, dass ihr eine Sozialwohnung in der Marshpool-Farm-Siedlung zugeteilt worden sei, hatte Judy Gresham gestrahlt. »Das ist aber schön, Schatz«, sagte sie. »Ich wusste gar nicht, dass es in London Farmen gibt.«
    Jane schüttelte resigniert, aber zugleich amüsiert den

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