Das Mozart-Mysterium
dermaßen überzeugt wären und von seiner hervorragenden Violinschule wüssten, hätten wir seine Anwärterschaft wieder zurückgezogen, als er mit Ihnen in der Blasiuskirche das Rätsel las.«
Mir wurde schlagartig klar, dass wir bereits den ganzen Tag unter Beobachtung gestanden hatten, und ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinab. Ich versank in Gedanken und versuchte, die nächsten Schritte abzuwägen oder eine Frage an Lucchesini zu formulieren. Ich konnte mich aber nicht dazu durchringen, ihn anzusprechen, da ich eine erneute Rüge oder eine harsche Reaktion erwartete. Als ich mich nach ihm umdrehte, war er wie vom Erdboden verschluckt. Ich vermutete, dass er wieder in die Kirche getreten war, obwohl dies völlig lautlos geschehen sein musste, und beschloss, zu Mozarts Wohnung zurückzukehren, um mit ihm das weitere Vorgehen zu besprechen.
Nach dem langen Fußmarsch hatte ich schließlich die Getreidegasse erreicht und begab mich auf mein Zimmer, da der Maestro noch nicht zurück war. Ich legte ich mich erschöpft auf mein Bett und fiel sofort in einen tiefen Schlaf. Ich wurde jedoch von heftigen Albträumen gequält.
Ich befand mich in einem dichten Wald und irrte umher. In der Ferne hörte ich Hundegebell und Hörner. Mir wurde plötzlich bewusst, dass ich gejagt wurde, als menschliche Beute einer Treibjagd. Schemenhaft erkannte ich meine Verfolger im Walddickicht, die von einem Rudel Hunde begleitet wurden. Ich rannte los, verzweifelt und voller Angst um mein Leben, stolperte über eine Wurzel und fiel. Von Schlamm und Erde bedeckt rappelte ich mich auf und lief weiter, kleine Gräben und liegende Baumstämme überspringend. Trotz allem konnte ich die Verfolger nicht abschütteln. Als ich mich umwandte, entdeckte ich sie nun in wesentlich geringerer Entfernung hinter mir! Ich konnte jetzt die Gestalten und ihre Gesichter besser ausmachen. Ein Mann in dunklem Mantel, der mir bekannt vorkam, führte die Gruppe an. Hinter ihm lief ein Geistlicher in festlichem Ornat und zornigem Blick.
Außerdem, und dies machte mich stutzig, erkannte ich Mozarts Diener Franz, in festlichem und teurem Gewand und mit einer goldenen Kette behängt, an der ein großes, eckiges Objekt baumelte. Er sah nicht aus wie ein Diener, sondern wie ein Herr. Neben ihm Herr Malfatti, Thereses Vater, der einen großen Degen mit sich führte.
Ich sah meine Chancen, zu entkommen, schwinden und rannte um mein Leben. Vor mir tat sich urplötzlich ein Abgrund auf: Eine steile Böschung führte hinab zu einem reißenden Fluss. In dem Strom wurde ein Ruderboot wild hin und her geworfen, in dem ich voller Entsetzen Therese erkannte. Sie entdeckte mich ebenfalls und rief mir etwas zu, was ich wegen des rauschenden Wassers nicht verstehen konnte. Verzweifelt beschloss ich, hinabzuspringen, obwohl der Steilhang mindestens 60 Fuß hoch war und ich mit Sicherheit entweder durch den gewaltigen Aufschlag das Leben aushauchen oder jämmerlich ertrinken würde.
Gerade als ich die Knie beugte, um mich abzustoßen, packte mich eine Hand an der Schulter. Jedoch, es war kein harter Griff, sondern nur eine leichte Berührung, und ich hörte zugleich eine angenehme, vollklingende Männerstimme, die meinen Namen sprach: »David! David!«
Ich war verwundert und versuchte die Person zu erkennen, es war aber nur Nebel um mich herum.
»David, wachen Sie auf!«
Wie aus fernen Welten drang die Wirklichkeit zu mir und ich erwachte schweißgebadet. Über mir stand Mozart, der an meiner Schulter rüttelte. »Wachen Sie auf!«
Verstört und verschlafen rappelte ich mich auf und versicherte Mozart, in fünf Minuten zur Besprechung in sein Arbeitszimmer zu kommen.
Nachdem ich mich eiskalt gewaschen hatte, um den bösen Traum endgültig abzuschütteln, kleidete ich mich an. In Mozarts Arbeitszimmer empfing mich sogleich süßlicher Rauch, der aus der Meerschaumpfeife des Maestros strömte.
»David, wie lief es? Hatten Sie Erfolg?«
Ich war sogleich entmutigt, denn ich erkannte aus seiner Frage, dass er ebenso erfolglos gewesen war wie ich.
Wie sich im folgenden Gespräch herausstellte, war Mozart in der Kajetanerkirche gewesen, hatte dort aber ebenfalls kein Grabmal eines Kirchenerbauers gefunden. Die Kirche musste allerdings ein überaus schönes und beeindruckendes Bauwerk mit palastähnlicher Außenfront sein, das erst vor wenigen Jahrzehnten erneuert und opulent mit bemaltem Stuck und sakralen Kunstwerken ausgestattet worden war. Im Inneren besaß es
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