Das Mozart-Mysterium
um bei möglichen Nachfragen des Herrn Malfatti ihre Unterstützung zu erhalten, machte ich mich auf den Weg, um die Kirche zu erkunden, die als Nächstes auf meiner Liste stand. An Therese sandte ich über Louises Diener rasch noch ein Briefchen, in dem ich sie um ein Treffen morgen früh bei Mozart bat.
Ich war einigermaßen guten Mutes und zu der Zeit noch mit jugendlichem Selbstvertrauen – um nicht zu sagen Selbstüberschätzung – ausgestattet. Ich machte mich auf den Weg zur Müllner-Kirche zu Unserer Lieben Frau in der Augustinergasse. Ich hatte einen längeren Fußmarsch vor mir, da diese Kirche am nördlichen Fuß des Mönchberges und zudem erhöht stand, also einen Bergaufstieg verlangte. Das rote Dach und der massive Turm mit laternenartigem Abschluss waren glücklicherweise weithin sichtbar, sodass ich mich nicht verlaufen konnte.
Gerade, als ich die Winterreitschule passierte, war mir, als erblickte ich in einiger Ferne die dunkel gekleidete Gestalt des Herrn de Lucchesini. Da sehr viele Menschen unterwegs waren, verlor ich sie aber aus dem Blick.
Als ich danach den Mönchberg erklomm, um die letzten 30 Fuß zur Müllner-Kirche zurückzulegen, hatte ich die schattenhafte Gestalt längst vergessen. Oben angekommen, durchschritt ich einen mächtigen Steinbogen, der die Kirche mit dem nebenan gebauten Kloster verband, und stieg ein langes, hakenförmig gebautes und festlich ausgestattetes Treppenhaus hinauf. Die Kirche selbst war innen mit Stuck versehen. Edle Gitter und Verzierungen schmückten die vier Seitenkapellen. Alles war, wie auch in der St. Blasiuskirche, vollkommen makellos, denn der erst vor wenigen Jahren verstorbene Erzbischof Wolf Dietrich, der Vorgänger des jetzigen Bischofs Schrattenbach, hatte in grenzenloser Großzügigkeit in eine neue Ausschmückung des Innenraums investiert – in dem prächtigen Stil, der zu jener Zeit hochmodern war. Heute ist diese Manier eher unbeliebt und wird zunehmend durch eine weniger prunkvolle Gestaltung ersetzt, die Rocaille genannt wird.
In der Kirche befanden sich mehrere betende Gläubige. Vor der Sakristei stand ein ernster, abweisend wirkender Mann, der mit einem Degen bewaffnet war. Könnte dies eine Wache für das wertvolle versteckte Objekt der Societät sein? Dies waren erstaunliche Vorsichtsmaßnahmen für eine gewöhnliche Kirche!
Als ich mich der Sakristei näherte, hörte ich hinter mir das Eingangsportal knarren. Zu meinem Erstaunen trat der Wächter zurück in die Sakristei und schloss die Tür hinter sich.
Ich beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Ich vermutete, dass Vorbereitungen getroffen waren, um die versteckte Schrift der Societät freizugeben, falls sich jemand als Befugter zu erkennen geben würde. In fiebriger Erwartung drückte ich langsam die Klinke herab. Plötzlich wurde die Tür nach innen gerissen und ich mit ihr, sodass ich mit einem Aufschrei in den Raum fiel. Über mir standen zwei Männer mit gezogenen Degen, die sie auf mich richteten.
Ein lauter Ruf ertönte aus der Kirche: »Halt, zurücktreten! Rühren Sie ihn nicht an!« Und herein trat Giacomo de Lucchesini, ebenfalls mit gezogenem Degen. »Der junge Herr steht unter meinem Schutz und kommt in guter Absicht. Haltet ein, Wachen!«
Sofort zogen die beiden Bewaffneten ihre Degen zurück und bewegten sich tiefer in den Innenraum der Sakristei, wo sie bewegungslos verharrten.
Lucchesini sprach mich an: »Stehen Sie auf!«
Ich sammelte mich und er half mir auf die Füße. Nun erblickte ich ganz am hintersten Ende der Sakristei ein auf rotem Samt gebettetes Holzkreuz mit lebensgroßer Christusfigur, das eine Energie ausstrahlte, als ob in ihm ein Feuer glühte. Es war offensichtlich ein sehr wertvolles, uraltes Objekt, dessen Holz eingeschrumpft aussah und mit Furchen und Riefen überzogen war, wie die faltige Haut eines alten Menschen. Die Figur Christi war schlicht geformt und ebenfalls aus narbigem Holz, das täuschend echt geschnitzt war, sodass es wie Haut aussah.
Leise sagte nun Lucchesini: »Es ist eines der ältesten Kruzifixe, die es gibt. Die Wachen hier sind vom Erzbischof gestellt, da der Wert des Objektes unermesslich ist. Lassen Sie uns gehen.«
Langsam zogen wir uns zurück und gingen, ohne ein Wort zu sprechen, durch den Kirchenraum ins Freie.
»Hier werden Sie die versteckte Schrift nicht finden, David. Sie können froh sein, dass wir Ihnen erlauben, die Rätsel gemeinschaftlich zu lösen. Wenn wir nicht vom Genie Leopold Mozarts
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