Das Multiversum 3 Ursprung
verrottender Vegetation geschwängert.
Ein Schemen huschte zwischen den Baumstämmen hindurch: Eine runde, phantomartige Gestalt, die im Schatten der Bäume kaum zu erkennen war.
Emma blieb wie angewurzelt stehen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Die mächtige Manekato trat an ihre Seite, und sie fühlte sich gleich sicherer. »Das ist ein Nussknacker. Ein pflanzenfressender Hominide, der …«
»Ich kenne die Nussknacker.«
Manekato schaute ihr neugierig ins Gesicht. »Ich spüre Angst.«
Emma wurde sich bewusst, dass sie flach atmete und versuchte sich zu beherrschen. »Wundert dich das etwa?«
»Du bist doch eh schon fern der Heimat. Ohne Vorbereitung und ohne Hilfe hast du viele Wochen an diesem Ort überlebt.
Wovor müsstest du dich jetzt noch fürchten?«
»Menschen sind keine Geschöpfe des Waldes wie die Elfen und Nussknacker. Wir sind Geschöpfe der Savanne. Wie die Läufer.«
»Aha.« Wie um sich zu entschuldigen, streckte Manekato die Hand nach Emma aus und betastete mit dicken lederhäutigen Fingern sanft ihre Schultern, Ellbogen und Hüfte. »Das ist wahr. Ihr seid dafür geschaffen, weite Entfernungen im Gehen und Laufen zu bewältigen. Ihr schwitzt – im Gegensatz zu mir –, wodurch ihr in der Lage seid, die Wärmeabfuhr unter der Sonne effizient zu kontrollieren. Ja, eure Verbindung zum Wald liegt tief in der Vergangenheit. Und deshalb betrachtet ihr ihn nicht als Ort des Überflusses und der Sicherheit, sondern der Gefahr.«
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»Wir haben Märchen und Sagen. Viele davon sind gruselig. Sie handeln von dichten Wäldern und dass Leute sich im Wald verir-ren.«
Manekato zeigte ihr mächtiges Gebiss. »Und wenn eine Elfe da-zu fähig wäre, würde sie ihre Artgenossen mit einer solchen Geschichte erschrecken: Sie ist allein auf weiter Flur, ohne sich in die Deckung eines Walds flüchten zu können. Die Sonne geht unter, und die Raubtiere gehen auf die Pirsch … Aber dieser Hominide schien auf der Flucht zu sein. Die Nussknacker sind hier im Wald zuhause und müssen sich vor nichts fürchten, denn sie sind stark und schlau. Seltsam.« Mane ging weiter, aber langsamer als bisher und schob den massigen Körper fast geräuschlos durch das dichte Blattwerk. Emma war ihr dicht auf den Fersen.
Dann wurde Mane plötzlich langsamer und schaute auf den Boden.
Emma hörte das Summen von Fliegen. Dann stieg ihr ein Geruch in die Nase, der Geruch von verwesendem Fleisch: Ein Geruch, der von der Welt, von der sie stammte, verbannt war und an den sie sich niemals gewöhnen würde, egal wie lang sie noch auf diesem seltsamen, zusammengewürfelten Roten Mond bleiben würde.
Der Geruch des Todes.
Es sah aus wie ein Schimpanse, der von einem Auto überfahren worden war. Die haarige Haut war mit Wunden und Quetschungen übersät, und eine wässrige Flüssigkeit lief aus dem offenen Mund und leeren Augenhöhlen. Die Wunden wimmelten von Maden und vermittelten dem Kadaver den Anschein von Leben. Aber der Körper schien zu zerfließen: Fleisch und Knochen lösten sich in der Haut auf und versickerten im Boden.
Ein Kind saß wie ein Häufchen Elend neben dem Erwachsenen auf dem Boden, bei dem es sich vermutlich um seine Mutter handelte.
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»Nun wissen wir auch, wovor der Nussknacker geflohen ist«, sagte Emma.
Nemoto schloss schnaufend zu Emma auf. »So etwas habe ich schon einmal gesehen. Nicht anfassen.«
»Was ist das denn?«
»So etwas wie das Ebola-Virus, glaube ich. Es fängt mit Kopf-schmerzen und Fieber an. Und wenn die Körperzellen vom repli-zierenden Virus befallen werden, bricht das Immunsystem zusammen. Die Haut löst sich auf, man bekommt Durchfall und innere Blutungen, und Blut tritt aus allen Körperöffnungen aus. Und bevor man stirbt, verwandelt der Körper sich in Schleim. Wenn man die Leiche berührt, steckt man sich an und stirbt auch. Es gibt weder einen Impfstoff noch ein anderes Heilmittel. Das dürfte auch der Grund dafür sein, weshalb die anderen Mitglieder der Gruppe das Kind beim Kadaver zurückgelassen haben.«
»Ich habe es geheilt«, murmelte Mane. »Es ist nicht mehr infi-ziert.« Emma hatte nicht gesehen, dass sie irgendetwas unternommen hätte.
Das Baby hob den Kopf und schaute Emma an. Der kleine Nussknacker, der sicher nicht älter als ein Jahr war, saß inmitten dünnen weißen Kleinkind-Kots.
»Kann ich es ohne Bedenken hochheben?«, fragte Emma Mane.
»Ja.«
Emma zog sich ein Tuch über Mund und Nase und näherte sich dem Kind. Das verängstigte Kleine
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