Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Multiversum Omnibus

Das Multiversum Omnibus

Titel: Das Multiversum Omnibus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
Ihnen sagen, dass morgen die Welt unter-ginge. Sie würden es wohl bedauern, dass Ihre natürliche Lebenser-wartung jäh verkürzt wurde. Tatsache wäre aber, dass einer von zehn aller Menschen – das heißt die heute lebenden Menschen – im selben Boot säßen wie Sie.« Er lächelte. »Sie arbeiten in Las Vegas.
    Hören Sie sich mal um. Bei einer Chance von eins zu zehn zu verlieren ist zwar Pech, aber auch kein Drama.«
    »Die Argumentation mit solchen Analogien ist nicht zulässig«, sagte Emma. »Es befindet sich eine bestimmte Anzahl Kugeln in diesem Kasten. Die Gesamtzahl möglicher Menschen hängt aber von der unbestimmten und offenen Zukunft ab – sie ist vielleicht sogar unendlich. Und wie können Sie überhaupt Prognosen über Menschen erstellen, die noch gar nicht existieren – über deren Eigenschaften, Potenziale und Präferenzen wir absolut nichts wissen?
    Sie reduzieren die größten Mysterien menschlicher Existenz auf ein Spiel mit Murmeln.«
    »Es ist Ihr gutes Recht, skeptisch zu sein«, sagte Cornelius geduldig. »Dennoch haben wir bereits dreißig Jahre dieser Studien hinter uns. Die Methodologie wurde ursprünglich von einem Physiker namens Brandon Carter in einem Vortrag in der Royal Socie-71
    ty in London in den 80er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts vorgestellt. Und wir haben Prognosen auf der Grundlage mehrerer Ansätze und Daten aus vielen Fachgebieten erstellt…«
    »Und wann?« fragte Malenfant heiser.
    »Nicht früher als vor 150 Jahren. Nicht später als vor 240.«
    Malenfant räusperte sich. »Cornelius, was soll das alles überhaupt? Ist das vielleicht eine Variation des ›Die-Schlechten-ins-Kröpfchen‹-Themas? Wollen Sie die Expansion in den Weltraum forcieren?«
    Cornelius schüttelte den Kopf. »Ich befürchte, das würde auch nichts bringen.«
    Malenfant wirkte überrascht. »Wieso denn nicht? Wir haben Jahrhunderte. Wir könnten uns übers ganze Sonnensystem verteilen …«
    »Aber das ist doch der Knackpunkt«, sagte Cornelius. »Denken Sie mal darüber nach. Mein Argument beruhte weder auf einem Bedrohungsszenario noch einer Annahme bezüglich eines möglichen ›Standorts‹ der Menschheit oder dem technologischen Niveau, das wir vielleicht erreichen. Das Argument bezog sich auf die fortdauernde Existenz der Menschheit, komme was da wolle. Vielleicht werden wir eines Tages sogar die Sterne erreichen, Malenfant. Aber davon hätten wir auch nichts. Die Carter-Katastrophe wird uns auf jeden Fall ereilen.«
    »Mein Gott«, sagte Malenfant. »Welche Katastrophe könnte wohl ganze Sternensysteme auslöschen – und über Lichtjahre ausgreifen?«
    »Wir wissen es nicht.«
    Eine drückende Stille erfüllte den holzgetäfelten Raum.
    »Und jetzt sagen Sie mir, was Sie von mir wollen«, sagte Malenfant barsch.
    »Darauf komme ich noch«, entgegnete Cornelius und stand auf.
    »Darf ich Ihnen noch etwas zu trinken bringen?«
72
    Emma erhob sich von ihrem Stuhl und ging zum Fenster. Sie ließ den Blick über den Central Park mit den spielenden Kindern schweifen. Sie waren in ein seltsames, komplexes Spiel mit ständig wechselnden Mustern vertieft. Sie schaute ihnen für eine Weile bei ihrem Treiben zu; es wirkte fast mathematisch, wie eine geometrische Form der Kommunikation. Die Kinder waren merkwürdig dieser Tage. Sie seien intelligenter als Kinder früherer Generationen, behaupteten die Medien. Vielleicht mussten sie das auch sein.
    Doch manche Dinge ändern sich nie. Sie sah eine Kutsche im Park auftauchen, die von einem Pferd gezogen wurde. Das Tier bewegte sich stetig und unermüdlich. Die in rauchiges, smoggefil-tertes Sonnenlicht getauchte Welt wirkte üppig, alt und zugleich verjüngt – voller Leben und Möglichkeiten.
    … War es möglich, dass Cornelius Recht hatte? Dass das alles so plötzlich endete?
    Zweihundert Jahre waren gar nichts. Man hatte hominide Werkzeuge entdeckt, die waren zwei Millionen Jahre alt.
    Und wird es einen Jüngsten Tag geben, fragte sie sich. Wird es noch ein New York, einen Central Park geben – oder sind das die letzten Kinder überhaupt, die an diesem Tag hier spielen? Ob sie wissen, dass sie keine Zukunft haben?
    Oder ist das alles der reine Wahnsinn?
    Malenfant berührte sie am Arm. »Das ist eine verdammte Situation, nicht wahr?« Sie kannte den Ton und den Gesichtsausdruck.
    Die ganze Skepsis und Feindseligkeit, mit der er Cornelius drau-
    ßen in der Wüste begegnet war, war verflogen. Es gab eine neue Vision, und Reid Malenfant

Weitere Kostenlose Bücher