Fuer dich mein Glueck
1. KAPITEL
Kurz vor Beginn der Trauungszeremonie wurde Sonnet Romano nervös. „Mom“, sagte sie, während sie unruhig zum Fenster huschte, das die Aussicht auf den Willow Lake einrahmte. „Was ist, wenn ich es jetzt vermassle?“
Ihre Mutter schaute sie lächelnd an. Die frühe Abendsonne umhüllte Nina Bellamy, sodass sie für einen Moment ebenso jung und begehrenswert wirkte wie Sonnet. In dem herbstgoldenen Seidenkleid sah Nina einfach fantastisch aus. Nur wer sie so gut kannte wie Sonnet, konnte erkennen, wie müde Nina wirklich war. Um ihren Mund und ihre Augen hatten sich feine Falten eingebrannt, und ihre Haut war leicht aufgedunsen. Nina kam gerade von der Beerdigung ihrer Lieblingstante zurück, die eine Woche zuvor gestorben war. Die Trauer stand ihr noch ins Gesicht geschrieben.
„Du wirst nichts vermasseln“, beruhigte Nina ihre Tochter. „Du wirst großartig sein. Du siehst in diesem Kleid einfach umwerfend aus, und du weißt genau, was du zu tun hast. Es wird gewiss ein ganz zauberhafter Abend.“
„Ja, aber …“
„Erinnere dich nur daran, was ich dir immer gesagt habe, als du noch ein kleines Mädchen warst. Dein Lächeln ist mein Sonnenschein.“
„Ich erinnere mich“, Sonnet lächelte versonnen. Ihre Mutter hatte sie ganz allein aufgezogen, doch erst jetzt wurde ihr bewusst, wie schwer das für Nina oft gewesen sein musste. „Du hast mir so viele wunderbare Erinnerungen geschenkt, Mom.“
„Komm her.“ Nina breitete die Arme aus, und Sonnet lehnte sich dankbar hinein.
„Das fühlt sich gut an. Ich wünschte, ich könnte häufiger hierherkommen.“ Sonnet drehte das Gesicht in den warmen Wind, der durch das Fenster hereinwehte. Sie sah die Schönheit des Sees und spürte, wie sich ihre Kehle zusammenzog. Ihr Herz schmerzte. Obwohl Sonnet hier in Avalon aufgewachsen war, fühlte sich der Ort für sie jetzt vollkommen fremd an. Vor vielen Jahren hatte sie es nicht erwarten können, diesen Ort zu verlassen.
Obwohl sie sich noch lebhaft daran erinnern konnte, wie sie hier mit ihren Freunden in den Wäldern gespielt hatte oder im Winter die Hügel von Catskills mit dem Schlitten hinuntergefahren war, hatte sie die Gegend nie wirklich geliebt. Erst als sie weit weggezogen war, um sich ein neues Leben aufzubauen, hatte sie ihre Heimat wieder zu schätzen gelernt. Jetzt, wo sie in Manhattan in einem winzig kleinen Apartment an der lauten East Side Street wohnte, erkannte sie den Reiz von Avalon.
„Das wünschte ich mir auch“, erwiderte Nina, „aber es ist sehr zeitaufwendig, die Welt zu retten, oder?“
Sonnet kicherte. „Rette ich denn die Welt?“
„Ich denke schon, Süße. Ich bin sehr stolz, wenn ich den Leuten erzählen kann, dass du für die UNESCO arbeitest und dass deine Abteilung Kinderleben auf der ganzen Welt rettet.“
„Wenn du das so sagst, bekomme ich wirklich das Gefühl, mehr zu tun als nur E-Mails zu schreiben und Formulare auszufüllen.“ Sonnet wünschte sich oft, sie könnte wirklich ab und zu mit einem Kind arbeiten, statt bergeweise administrative Aufgaben zu erfüllen.
Auf dem frisch gemähten Rasen unten am See begannen die Gäste, ihre Plätze einzunehmen. Viele Freunde des Bräutigams trugen ihre militärischen Ausgehuniformen, was der Szene etwas Ernsthaftes verlieh.
„Es ist endlich so weit, Mom“, sagte Sonnet.
„Ja“, Nina nickte, „endlich.“
Ein fröhliches Kreischen ertönte aus dem Nebenzimmer, in dem sich die Braut und ihre Brautjungfern fertigmachten.
„Daisy wird die hübscheste Braut sein, die es je gegeben hat“, sagte Sonnet aufgeregt. Die Braut war nicht nur Sonnets beste Freundin, sie war auch ihre Stiefschwester und im Begriff, die Liebe ihres Lebens zu heiraten. Für Daisy ging ein Traum in Erfüllung, und Sonnet freute sich unbändig für sie, doch gleichzeitig verspürte sie einen Stich in ihrem Herzen. Nun würde Daisy ihre geheimen Wünsche und Ängste mit einem anderen Menschen teilen. Ein anderer würde sie von nun an trösten und beschützen und immer für sie da sein; wenn es sein musste, auch mitten in der Nacht.
„Bis du dran bist“, riss Nina sie aus ihren Gedanken. „Denn dann wirst du die schönste Braut aller Zeiten sein.“
Sonnet drückte die Hand ihrer Mutter. „Mach dir bitte keine allzu großen Hoffnungen. Ich bin zu sehr damit beschäftigt, die Welt zu retten, das weißt du doch.“
„Vergiss aber bitte über all der Arbeit nicht, dich zu verlieben.“
Sonnet lachte. „Ich finde, das
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