Das Multiversum Omnibus
der Lufttüchtigkeit mitführen, ein Hersteller-Zertifikat und einen Frachtbrief. War ein BDB überhaupt ein Luftfahrzeug? Die Bestimmungen der Luftfahrtbehörde enthielten keinen Eintrag über die Zertifizierung eines Raumfahrzeugs. Als sie sich in die Unterlagen vertiefte, fand sie heraus, dass die FAA – die Federal Avia-tion Association – diese Frage beim Space Shuttle offen gelassen hatte, als sie 1977 entschieden hatte, dass der Shuttle-Orbiter kein Luftfahrzeug war – obwohl er Tragflächen hatte, mit denen er im Gleitflug zur Erde zurückkehrte.
Es war ein Chaos aus widersprüchlichen und unsinnigen Bestimmungen auf nationaler und internationaler Ebene. Vielleicht bedurfte es eines Kerls wie Malenfant, der mit dem Kopf durch die Wand ging, um dieses Dickicht zu zerreißen.
Und den ganzen Terz nur wegen des Betriebs eines privaten Raumfahrzeugs. Wenn Malenfant seinen Asteroiden erreichte, würden sich noch ganz andere Probleme auftun.
Malenfant wollte den Asteroiden überhaupt nicht in Besitz nehmen, sondern nur Kapital daraus schlagen. Aber es war nicht einmal klar, wie er das bewerkstelligen wollte.
Malenfant befürwortete ein System, mit dem man private Eigen-tumsrechte an dem Asteroiden durchzusetzen vermochte. Die Patent-und Eigentums-Registrierung bei einer starken Nation – insbesondere den USA – wäre hinreichend. Die Ansprüche wären international durchsetzbar, indem die US-Zollbehörde jeden Import mit einem Strafzoll belegte, der unter Missachtung dieser Forde-102
rung in die USA getätigt wurde. Dieser Mechanismus wäre unabhängig von den USA oder sonst jemandem und würde im Endef-fekt bedeuten, dass man die Souveränität über den Asteroiden be-anspruchte. Dafür gab es sogar einen Präzedenzfall: die Erschließ-
ung von Amerika jenseits der Appalachen im 17. Jahrhundert, als die britische Krone lang vor dem Eintreffen der ersten Siedler Landrechte vergeben hatte.
Aber die Thematik war komplex und strittig und ging in mehr-deutigen und widersprüchlichen Gesetzen und Verträgen unter.
Höchst ermüdend.
Sie verließ den Schreibtisch und goss sich einen Tequila ein, eine Schwäche aus ihrer Studentenzeit. Die bittere Flüssigkeit schien sich im Rachen zu entzünden.
… Glaubte sie das alles etwa? Hielt sie das etwa für richtig? Hatten die USA das moralische Recht, einseitig Konzessionen für die Nutzung des Weltraums an Leute wie Malenfant auszustellen?
Die Präzedenzfälle sprachen zumindest nicht dafür – zum Beispiel hatte die Ermächtigung brutaler Kapitalisten wie Cecil Rhodes durch das britische Empire im zwanzigsten Jahrhundert zu barbarischen Auswüchsen wie der Apartheid geführt. Und nicht zu vergessen die unangenehme Tatsache, dass die Aufrechterhaltung und der Schutz des britischen Empire trotz jahrzehntelanger satter Gewinne letztlich zum Bankrott des Mutterlands geführt hatten.
Ein Detail, das Malenfant geflissentlich verschwieg, wenn er Investoren und Politikern die Sache schmackhaft machen wollte.
Zwischenzeitlich verfolgte sie – sozusagen als Hobby in der Freizeit – Malenfants anderen aktuellen Wahn, wenn auch nicht son-derlich begeistert. Such mir einen Teilchen-Beschleuniger … Mit dem Glas in der Hand tippte sie auf die Softscreen und suchte nach Aktualisierungen von ihren Assistenten und Datenspähern.
Ein geeignetes Teilchenphysik-Labor war schnell gefunden: Fermilab in der Nähe von Chicago, dessen Leiter ein Saufkumpan 103
von Malenfant war. Also schickte Emma Anträge für Experimentier-Zeit ab.
Und sie traf sofort auf massiven Widerstand der Forscher, die in Fermilab arbeiteten und die den Hort ihrer Karriere durch Außenseiter missbraucht sahen. Sie versuchte ihr Glück bei der Universities Research Association, einem Verband amerikanischer und ausländischer Universitäten.
Auch hier stieß sie nur auf Obstruktion und Widerstand. Sie musste nach Washington fliegen und vor einem Unter-Ausschuss mit der Bezeichnung Hochenergiephysik-Beirat des Energieminis-teriums aussagen, der Verbindungen zum wissenschaftlichen Berater des Präsidenten hatte.
Das Problem war, dass die Einrichtungen und Experimente riesige Geldsummen benötigten. Die Physiker hatten noch immer daran zu knabbern, dass der Kongress in den 90er Jahren den Super-leitenden Superbeschleuniger gestrichen hatte, einen fünfundacht-zig Kilometer langen Tunnel mit Magneten und Teilchenstrahlen, der unter einer Baumwoll-Plantage in Ellis County, Texas hätte gebaut werden
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