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Das Multiversum Omnibus

Das Multiversum Omnibus

Titel: Das Multiversum Omnibus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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dem unge-schulten Auge erhaschte sie nur impressionistische Streiflichter: schimmernde Stoßzähne, einen knorrigen Baum, eine unmissverständliche Morphologie. Die Elefanten waren Mythen der Kindheit, aus Bilderbüchern und von Zoobesuchen, auf wundersame Art und Weise bewahrt in einer Welt, die mit Beton und Kunststoff und Abfall verschandelt wurde.
    Schließlich kamen sie zu einem Dorf.
    Das Auto hielt an, und sie stiegen aus. Younger breitete die Hän-de aus. »Willkommen in Nakatindi.« Hütten aus Lehm und Gras säumten die Straße und verteilten sich über das flache Land.
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    Nervös – und verärgert, weil sie dieses Gefühl verspürte – schaute Emma zum Fahrzeug zurück. Der Fahrer hatte die Scheiben hoch-gefahren und die Milchglasfunktion aktiviert. Sie sah, dass er sich in dieser von Afrika isolierten klimatisierten Blase zurückgelegt und entspannt die Augen geschlossen hatte. Dazu hörte er elektronische Musik.
    Sie war kaum von der staubigen Straße heruntergetreten, als sie auch schon von spindeldürren strahlenden Kindern umringt wurde. Sie trugen westliche Altkleider – T-Shirts und Schuhe, die meistens zu groß und unbeschreiblich verschlissen und verschmutzt waren. Die Vorbesitzer mussten richtige Dreckschweine gewesen sein. Die Kinder schubsten sich gegenseitig und bildeten ein Knäuel aus braunen Gliedern, das um ihre Aufmerksamkeit heischte und Kameras imitierte.
    »Knips mich! Knips mich allein!« Sie hielten sie für eine Touris-tin.
    Die dominierende Farbe war braun, wie sie beim Betreten des Dorfs feststellte. Das Dorf war auf dem Sand der Kalahari errichtet, der das Land im Umkreis von hundert Meilen prägte. Doch der Sand hier wurde von menschlichen Fußabdrücken markiert und war mit Schutt, Metall-und Holzresten bedeckt.
    Der Himmel war eine ausgewaschene blaue Kuppel, riesig und leer, und die Sonne stand senkrecht und brannte ihr aufs Haupt.
    Es gab hier keinen Schatten und kaum Kontrast. Sie hatte erneut den Eindruck des Alters, dass alles von der Zeit abgeschliffen war.
    Teile von Fahrzeugen lagen herum. Sie sah, dass die abmontier-ten Autotüren als Gartentore verwendet wurden und die Radkap-pen zu Schüsseln zurechtgedengelt waren. Zwei Kinder spielten mit einer Art Skateboard, einem Holzbrett, das an einer Draht-schleife gezogen wurde. Bei den ›Rädern‹ des Bretts handelte es sich um Stücke, die von einem Auspuffrohr abgesägt waren, wie sie verwundert feststellte. Younger erklärte, dass vor ein paar Jah-110
    ren einige Autowracks nicht weit von hier deponiert worden wä-
    ren. Die Dörfler hatten sie in den Ort geschleppt und bis auf den letzten Rest ausgeschlachtet.
    »… Sie werden heute hauptsächlich Männer hier sehen, Männer und Jungen. Es ist Sonntag, und da betrinken die Männer sich immer. Die Frauen und Mädchen sind draußen im Busch. Sie sammeln Wildfrüchte, Nüsse, Beeren und solche Sachen.«
    Es gab hier weder sanitäre Einrichtungen noch eine Kanalisa-tion. Die Leute – Frauen und Mädchen – zapften das Wasser an einer öffentlichen Leitung und transportierten es in vergilbten Plastikschüsseln und -flaschen. Die Notdurft verrichteten sie im Busch. Soweit sie sah, gab es keine aus Metall gefertigten Gegenstände außer den ausgeschlachteten Autoteilen und ein paar Werk-zeugen.
    Ein Schulwesen existierte auch nicht, außer dem Einsatz von Freiwilligen wie Younger, der aber wie ein Tropfen auf den heißen Stein war.
    Younger musterte sie. »Diese Leute sind im Grunde noch Jäger und Sammler. Vor 150 Jahren lebten sie noch im Busch wie in der Jungsteinzeit. Heute ist die Jagd verboten. Die Auswirkungen sehen Sie.«
    »Wieso kehren sie nicht in den Busch zurück?«
    »Würden Sie das denn?«
    Sie erreichten Youngers Hütte. Er grinste verschämt. »Mein kleines Reich.«
    Die Hütte entsprach demselben baulichen Standard wie die anderen, doch im Innern sah Emma eine Luftmatratze, einen Gegenstand, der wie ein Wasser-Entkeimungsgerät aussah, eine Softscreen mit einem Modem und einer aufblasbaren Satellitenschüssel sowie ein paar Toilettenartikel. »Ich gönne mir einen gewissen Luxus«, sagte Younger. »Das ist keine Angabe. Es ist eine Frage des Status.«
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    Sie runzelte die Stirn. »Ich bin nicht hier, um Sie zu verurteilen.«
    »Nein. Alles klar.« Younger wirkte irgendwie gespalten: Einerseits entschuldigte er sich für die Bedingungen, unter denen er lebte, andererseits legte er einen gewissen Besitzerstolz an den Tag. Schauen Sie, welch gutes

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