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Das Multiversum Omnibus

Das Multiversum Omnibus

Titel: Das Multiversum Omnibus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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abergläubisch, als würde sie vielleicht den Zauber brechen, der sie in der Schwebe hielt, wenn sie dieses Wunder in Frage stellte.
    Sie fielen durch einen erstaunlich schroffen Übergang in ein neues Reich, wo das Gestein hinter der Wand von innen heraus glühte. Es war ein düsteres Grau-Rot wie erkaltende Lava auf der Erde.
    »Der Mantel«, flüsterte Nemoto. »Basalt. Weder fest noch flüssig – ein Zustand, den man an der Oberfläche eines Planeten nicht vorfindet. Das Gestein ist so weich, dass es wie Karamell fließt.«
    Bald hellte das an ihnen vorbeirasende Gestein sich zu einem Kirschrot auf. Es war, als ob sie durch ein riesiges Reagenzglas mit fluoreszierendem Gas fielen. Beim Anblick des nur ein paar Meter entfernten rot glühenden Gesteins wurde es Emma heiß, aber das war sicher nur Einbildung.
    Das Nussknacker-Baby regte sich mit geschlossenen Augen und wischte sich die breite Nase an Emmas Brust ab.
    Der Fall schien kein Ende zu nehmen. Sie wurden nun von dicken Leitungen umgeben, die sich an Halterungen durch den Tunnel schlängelten. Sie fragte sich, welche Funktion sie wohl erfüllte; Nemoto und Mane vermochten sich auch keinen Reim darauf zu machen.
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    Und dann spürte sie erstmals einen Ruck wie in einem abbrem-senden Fahrstuhl. Sie folgte dem Verlauf der Leitungen nach unten und sah, dass sie sich einer Endstation näherten, einer Plattform aus einem trüben, milchigen Material, die den Tunnel blockierte.
    »Wo sind wir?«, fragte sie.
    »Ein paar tausend Meilen tief«, sagte Manekato. »Wir haben et-wa zwei Drittel der Strecke zum Mittelpunkt des Monds zurückge-legt.«
    Sie wurden langsamer, bis sie etwa einen Meter über der Plattform auf Schritttempo heruntergebremst wurden. Emma landete mit dem Kind in den Armen auf den Füßen – es war eine weiche Landung, auch wenn sie sie an die unfreiwillige Landung auf dieser Welt erinnerte.
    Nun warf sie doch einen Blick auf die Uhr, die Nemoto ihr geliehen hatte. Der Fall hatte zwanzig Minuten gedauert.
    Die glatte Oberfläche in einem gedeckten Weiß war weder heiß noch kalt. Sie schloss den Schacht fugenlos ab. Emma legte das Nussknacker-Kind auf den Boden. Mit einem fröhlichen Grunzen urinierte das Kleine in einem dünnen Strahl, der auf dem glänzenden Boden eine Pfütze bildete.
    An diesem glänzenden, geometrisch perfekten Ort wirkten all die Hominiden missgestaltet und deplatziert: Julia mit dem massiven Brauenwulst, der Daimon mit dem mächtigen Gorilla-Körper, den hastigen, abrupten Bewegungen und den seltsamen schwenkbaren Ohren, und Nemoto und Emma, die stolzen Botschafter des Ho-mo sapiens, die in ihren staubigen und geflickten Overalls dicht beieinander standen. Wir sind kaum entwickelt, sagte Emma sich – nicht einmal Mane –, und formlos, verglichen mit der kühlen, mühelosen Perfektion dieses Orts.
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    »Geräusche«, sagte Julia. Sie drehte den großen Kopf und schaute sich um. »Geräusche. Lichter.«
    Nemoto verzog das Gesicht, ließ den Blick schweifen und schaute nach oben in den Tunnel, der sich über ihren Köpfen in die Unendlichkeit erstreckte. »Ich höre nichts.«
    »Es gibt hier viele Informationen«, sagte Mane sanft. Sie hatte die Augen geschlossen. »Ihr müsst sie – hereinlassen.«
    »Ich weiß aber nicht wie«, sagte Nemoto unglücklich.
    Emma schaute auf das Nussknacker-Kind hinab. Es kroch auf dem Boden herum und betrachtete ihn, als sei er die Oberfläche eines Teichs. Emma kniete sich steif neben dem Kind hin. Sie richtete den Blick auf den Boden und starrte auf die Stelle, auf die auch das Kind schaute.
    Sie sah einen blauen Lichtblitz und verspürte einen kurzen brennenden Schmerz.
    Der Boden hatte sich in Glas verwandelt. Sie kniete mit dem Nussknacker auf nichts. Sie presste keuchend die Hände auf die harte Fläche. Nein, das war kein Glas: Es gab keine Spiegelungen, nichts außer dem warm sich anfühlenden Boden unter den Händen und Knien.
    Und unter ihr dehnte sich eine riesige Kammer aus.
    Sie spürte Nemotos Hand auf der Schulter. Es war ein fester Griff, als ob Nemoto Trost bei ihr suchte.
    »Sehen Sie es auch?«, fragte Emma.
    »Ja, ich sehe es.«
    Emma erkannte eine gegenüberliegende Wand. Sie war mit ster-nenartigen Lichtern übersät. Aber diese Sterne waren zu einem regelmäßigen Muster aus gleichseitigen Dreiecken angeordnet. Also künstlich. Sie schaute von einer Seite zur andern und versuchte die Krümmung der gegenüberliegenden Wand zu bestimmen. Aber sie war zu weit

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