Das muss Liebe sein
gemütlichen Gefängniszelle hockst, zu Hause sitze, Steaks grille und feiere.«
»Mit Gabrielle? Weiß sie, wer du wirklich bist? Oder hast du sie nur benutzt, um mich zu überführen?«
Sein schlechtes Gewissen meldete sich. Schuldbewusstsein und dieses Gefühl, Gabrielle beschützen zu müssen, das er schon in der Nacht verspürt hatte, als sie von Kevins Terrasse herabhing. Es überrumpelte ihn so, dass er sich heftig vom Türrahmen abstieß. »Das musst du gerade sagen! Wer von uns hat Gabrielle denn wohl benutzt? Du hast sie jahrelang als Tarnung für deine Hehlerei missbraucht.« Was ihm da den Magen umdrehen wollte, war mehr als eine Art Pflichtgefühl, das ihn zwingen wollte, seine Informantin zu schützen, doch er war nicht in der Stimmung, es näher zu analysieren oder sein Gewissen zu erforschen.
Kevin wandte sich ab. »Sie kommt schon zurecht.«
»Als ich heute Morgen mit ihr gesprochen habe, sah es aber ganz und gar nicht so aus.«
Kevin sah ihn wieder an, und zum ersten Mal leuchtete in seinen Augen etwas anderes als Arroganz oder Streitsucht auf. »Was hast du ihr gesagt? Wie viel weiß sie?«
»Was sie weiß, geht dich nichts an. Es reicht, wenn du weißt, dass ich in eurem Laden meiner Arbeit nachgegangen bin.«
»Ja, prima«, höhnte er. »Als du Gabrielle an die Wand gedrückt und ihr deine Zunge in den Hals gesteckt hast, sah das für mich nach etwas mehr als Arbeit aus.«
Walker hob den Blick, und Joe zwang sich zu einem lässigen Grinsen. »Einige Tage waren halt besser als die übrigen.«
Er hob die Schultern und schüttelte den Kopf, als ob Kevin einfach nur Unsinn redete. »Ich weiß, dass du jetzt stinksauer auf mich bist, aber ich gebe dir trotzdem einen guten Rat. Du kannst ihn beherzigen oder mich zum Teufel wünschen, mir ist beides gleich, aber hör zu: Du bist nicht der Typ, dem etwas an anderen Menschen außer sich selbst liegt, und jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um plötzlich Skrupel zu entwickeln. Dein Schiff geht unter, mein Freund, und du kannst entweder deine Haut retten oder mit den anderen Ratten absaufen. Ich rate dir, deine Haut zu retten, bevor es zu spät ist.« Er musterte Kevin ein letztes Mal von Kopf bis Fuß, dann drehte er sich um und ging zu den Arrestzellen.
Im Gegensatz zu der Behauptung des Polizeichefs Kevin gegenüber zeigte William Shalcroft sich in keiner Weise kooperativ. Er hockte teilnahmslos in seiner Zelle, starrte durch die Gitterstäbe, und das Deckenlicht tauchte seinen Glatzkopf in graues Licht. Joe beobachtete den Kunsthändler und wartete auf den Adrenalinstoß. Auf das Aufwallen, das immer einsetzte, wenn es an der Zeit war, einen Betrüger zu betrügen, einen Typen zum Reden zu bringen, obwohl man ihm gerade noch geraten hat, nichts zu sagen, weil man alles, was er von sich gab, gegen ihn verwenden würde. Der Adrenalinstoß blieb aus. Stattdessen fühlte Joe sich nur erschöpft. Psychisch und physisch verausgabt.
Die Hochspannung, die auf dem Revier herrschte, hielt ihn für den Rest des Tages wach. Die Einzelheiten über Kevins und Shalcrofts Verhaftung, die immer wieder von neuem durchgehechelt wurden, hielten seinen Verstand auf Trab und verhinderten, dass er allzu sehr an Gabrielle dachte und daran, wie es nun mit ihr weitergehen sollte.
»Hat jemand Blumen mitgebracht?«, fragte Winston von der anderen Seite des Gangs her.
»Ja, es riecht nach Blumen«, stimmte Dale Parker, ein Neuling auf dem Revier, zu.
»Ich rieche nichts, verdammt noch mal!«, brüllte Joe seine Mitarbeiter an und steckte die Nase wieder in seinen Papierkram. Den restlichen Nachmittag verbrachte er duftend wie ein Fliederbusch damit, darauf zu warten, dass das Fallbeil auf seinen Nacken niedersauste. Um fünf Uhr packte er den Papierstapel auf seinem Schreibtisch ein und machte sich auf den Heimweg.
Sam erwartete ihn auf seinem Plätzchen bei der Haustür.
»Hallo, Joe«, begrüßte er ihn, gleich als Joe eintrat.
»Tag, Freundchen.« Joe warf seine Schlüssel und den Papierstapel auf den Tisch vor dem Sofa und ließ Sam aus dem Käfig. »War was Gutes im Fernseher?«
»Jer-ry, Jer-ry«, kreischte Sam, hüpfte zur Käfigtür hinaus und flog zum Fernseher.
Joe hatte Sam seit einigen Monaten nicht mehr gestattet, Jerry Springer zu sehen. Nicht mehr, seit er durch diese Sendung Gossensprache gelernt und sich angewöhnt hatte, diese im unpassendsten Augenblick auch anzubringen.
»Deine Mama ist eine fette Nutte.«
»Himmel«, seufzte Joe und
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