Das muss Liebe sein
dankten der Polizei von Boise.
Gabrielle schaltete den Fernseher per Fernbedienung aus und warf sie aufs Sofa zu ihrem schnurlosen Telefon.
Joe hatte auch nicht angerufen.
Ihr Leben brach in Technicolor und vor den Augen der ganzen Welt zusammen. Ihr Geschäftspartner, ein Mann, dem sie dermaßen vertraut hatte, dass sie ihn als sehr engen Freund betrachtete, war ein Dieb. In den Nachrichtensendern war ihr Name nicht genannt worden, doch jeder, der sie kannte, hielt sie vermutlich für eine Mittäterin. Sie und Ronald hatten kurz die Möglichkeiten ihres weiteren Vorgehens besprochen, zum Beispiel dass sie den Laden vorerst schließen und dann unter einem neuen Namen wieder eröffnen könnte, aber sie war nicht sicher, ob sie den Mut aufbringen würde, ganz von vorn anzufangen. Sie wollte darüber nachdenken, sobald der Schock nachließ und sie wieder klar denken konnte.
Neben ihr auf dem Sofa klingelte das Telefon, und ihr Magen krampfte sich zusammen. »Hallo«, meldete sie sich, bevor es ein zweites Mal klingelte.
»Ich habe gerade die Nachrichten gesehen«, begann ihre Mutter. »Ich bin schon fast auf dem Weg zu dir.«
Gabrielle schluckte ihre Enttäuschung hinunter. »Nein, lass nur. Ich komme etwas später rüber zu dir.«
»Wann?«
»Später am Abend.«
»Du solltest jetzt nicht allein sein.«
»Ich warte auf Joe«, sagte sie, dann wäre sie ja nicht allein. Nach dem Gespräch mit ihrer Mutter ließ sie sich ein Bad einlaufen. Sie gab Lavendel und Ylang-Ylang ins Wasser und stellte das Telefon neben die Wanne, doch als es erneut klingelte, war wieder nicht Joe am anderen Ende der Leitung.
»Hast du die Nachrichten gesehen?«, fragte Francis.
»Ja.« Zum zweiten Mal verbarg Gabrielle ihre Enttäuschung. »Hör mal, kann ich dich später zurückrufen? Ich warte auf Joes Anruf.«
»Warum rufst du ihn nicht an?«
Weil sie seine Privatnummer nicht hatte und weil er nicht im Telefonbuch stand. Sie hatte nachgesehen – zweimal. »Nein, er ruft mich bestimmt an, wenn er von der Arbeit kommt. Bis dahin wird er wahrscheinlich keine Möglichkeit finden, mit mir über den Fall zu sprechen.« Oder über ihre Beziehung. Über das, was nun folgen sollte.
Als Francis aufgelegt hatte, stieg Gabrielle aus der Wanne und schlüpfte in neue Khaki-Shorts und ein weißes T-Shirt. Sie ließ ihr Haar offen hängen, weil sie dachte, so würde es Joe am besten gefallen. Sie versuchte nicht einmal, sich einzureden, dass sie nicht auf das Klingeln des Telefons wartete. Ganz gleich, wie sehr sie sich anstrengte, im Lügen würde sie niemals gut sein. Mit jedem Ticken der Uhr spannten ihre Nerven sich mehr an.
Um halb acht Uhr abends hatte ein behinderter Mann, der Glühbirnen verkaufte, das Pech, Gabrielle anzurufen. »Nein!«, schrie sie in den Hörer,»Ich hatte heute einen grauenhaften Tag!« Sie trennte die Verbindung und ließ sich aufs Sofa sinken, überzeugt, dass sie gerade das denkbar schlechteste Karma für sich erzeugt hatte. Welche anständige Frau schrie schon einen Behinderten an?
Das taten Frauen, deren Leben in Scherben lag und die sich besser um ihr Geschäft statt um ihr Liebesleben hätten kümmern sollen. Frauen, deren Nerven bloß lagen. Die Sorte Frau, die tief im Herzen und in der Seele wusste, dass, wenn sie Joe nur halten könnte, alles wieder gut würde.
Sie kannte nicht einmal seine Telefonnummer. Falls sie ihn dringend sprechen wollte, musste sie auf dem Polizeirevier anrufen oder eine Nachricht auf seinem Piepser hinterlassen. Sie hatte mit ihm geschlafen, und er hatte an ihr Herz gerührt, wie es kein Mann je zuvor getan hatte. Er hatte ihren Körper berührt und eine Reaktion ausgelöst, die alles bisher Gekannte übertraf. Es war mehr als nur Sex. Sie liebte ihn, aber der Umstand, dass sie nicht wusste, was er für sie empfand, verursachte ihr Magenkrämpfe. Die Unsicherheit trieb sie an den Rand des Wahnsinns und war schlimmer als alles, was sie bisher erlebt hatte.
Sie hatten sich geliebt, und dann war er aus dem Haus gelaufen, als könnte er gar nicht schnell genug von ihr fort kommen. Klar, sie wusste, er hatte keine Wahl gehabt. Ihr Verstand sagte ihr, dass es nicht seine Entscheidung gewesen war, sie auf diese Art zu verlassen, aber er hatte ihr keinen Abschiedskuss gegeben. Er hatte sich nicht einmal umgeschaut.
Es klingelte, und sie fuhr zusammen. Als sie durch den Spion sah, blickte Joe ihr durch seine verspiegelte Sonnenbrille entgegen. Ihr stockte der Atem, ein Schmerz
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