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Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Titel: Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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Venedig, 1756
    O
mein Gott, war das hoch! Entsetzt starrte ich in die Tiefe. Das Dach hatte von unten schon hoch ausgesehen, doch wenn man draufstand und runterschaute, fühlte es sich an wie am Rand des Grand Canyons. Abgesehen davon, dass es auch noch abschüssig war – man musste höllisch aufpassen, nicht abzurutschen. Tief unter mir glitzerte das Mondlicht auf dem Kanal. Die Gondel war in der Dunkelheit kaum zu erkennen, aber ich wusste, dass sie dort war – unser Fluchtfahrzeug.
    »Was meinst du, ob es wohl mehr als dreißig Meter sind?«, fragte ich kläglich. Es sah wirklich sehr hoch aus.
    »Unsinn«, sagte Sebastiano. »Außerdem bist du bequem raufgekommen, und genauso bequem wirst du es wieder runter schaffen. Stell dich nicht so an. Du bist doch sonst so mutig.«
    Er hatte leicht reden, er hatte keine Höhenangst.
    »Ah, hier ist es.« Sebastiano zerrte eine Abdeckung von einem Loch im Dach, dann drehte er sich zu mir um. Im Licht der kleinen Nachtlaterne, die er vorhin angezündet hatte, sah er verwegen und wagemutig aus. Und gefährlich, mit all den Waffen an seinem Gürtel.
    »Hör auf, nach unten zu starren. Es geht los.« Er beugte sich vor und spähte vorsichtig ins Innere des Dachs. Das Loch hatte der Gefangene, den wir heute Nacht befreien wollten, freundlicherweise schon selber hineingemacht. Leider hatte es ihm nicht viel geholfen. Jedenfalls nicht in der unkorrigierten Vergangenheit. In der war er nämlich vom Dach gefallen und hatte sich den Hals gebrochen. Wovon er natürlich nichts wusste, denn es war ja noch nicht passiert. Sebastiano und ich würden dafür sorgen, dass es beim zweiten und endgültigen Anlauf besser klappte.
    » Messèr , seid Ihr wach?«, rief Sebastiano leise nach unten.
    Drinnen hörte man ein Rumoren, dann kam es ungläubig zurück: »Wer ist da?«
    »Eure Retter, Messèr. Wenn ich Euch nun bitten dürfte, Eure Schuhe anzuziehen und zu mir heraufzukommen, damit wir Euch in Sicherheit bringen können …«
    Ich blickte ihm über die Schulter und konnte das Innere der winzigen Zelle sehen, die so niedrig war, dass man kaum darin stehen konnte. Bleikammern, so nannte man diese Knastlöcher direkt unterm Dachgebälk des venezianischen Dogenpalastes – weil das Dach mit Bleiplatten gedeckt war. Im Sommer wurde es da drin mörderisch heiß, die Gefangenen steckten in einem Backofen, und im Winter war es so kalt wie in einem Kühlschrank. Wer meckerte, hatte schlechte Karten – die Folterkammer lag nämlich praktischerweise gleich um die Ecke. In der Gegenwart hatte ich mal eine Führung durch dieses Horrorkabinett mitgemacht. Von der Decke hing immer noch der Strick, mit dem man widerspenstige Gefangene so lange an den auf dem Rücken zusammengebundenen Händen aufgehängt hatte, bis sie alles gestanden, egal ob sie was verbrochen hatten oder nicht. Amnesty international hätte hier ein breites Betätigungsfeld gefunden.
    »Wer zum Teufel seid Ihr?« Es klang misstrauisch. Klar, er hatte in wochenlanger Kleinarbeit das Loch ins Dach gebohrt und wollte heute Nacht nach dem nächsten Wachwechsel abhauen. Dass auf einmal fremde Leute an seinem Fluchtweg herumstanden, musste ihm verdächtig vorkommen. Hätte er gewusst, dass diese fremden Leute außerdem Zeitreisende waren und aus dem Jahr 2011 stammten, wäre er bestimmt gar nicht erst rausgekommen.
    In der Öffnung tauchte eine Gestalt auf, und dann schob sich ein zerzauster Kopf ins Freie. Mein Herz klopfte schneller. Der Mann sah trotz des schwarzen Bartgestrüpps richtig gut aus! Nicht wirklich wie Heath Ledger, aber trotzdem sehr männlich, mit einem attraktiven, wenn auch etwas übernächtigten Gesicht und breiten Schultern, die gleich darauf ebenfalls ins Freie drängten.
    »Unsere Namen tun nichts zur Sache, aber glaubt uns, dass wir Euch wohlgesonnen sind.« Sebastiano half dem Gefangenen aufs Dach heraus. Der klopfte sich die Kleidung ab, und anschließend stand er einfach nur da, blickte zum sternenübersäten Himmel auf und sog in tiefen Zügen die Nachtluft ein. Dann sah er mich an und riss die Augen auf.
    »Meiner Treu! Ihr seid kein Knabe! Mit Eurer Verkleidung könnt ihr mich nicht täuschen!«
    »Na ja.« Ich rückte meine Kappe zurecht und stopfte eine herausgerutschte Haarsträhne zurück. »Lange Röcke sind in dieser Höhe nicht das Wahre.«
    »Ich habe dir gesagt, dass die Hose zu eng ist«, bemerkte Sebastiano grollend.
    »Ich kann nichts dafür. Du hast sie mir gegeben!«
    »Hast du

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