Das muss Liebe sein
einfach nicht zueinander passen. Er ist Republikaner. Ich wähle die Unabhängigen.« Das entsprach der Wahrheit, aber es war nicht der eigentliche Grund. Der eigentliche Grund war entschieden zu persönlich, als dass sie ihn dem Mann ihr gegenüber hätte erklären wollen. Wie konnte sie Captain Luchetti verständlich machen, dass Kevin sehr schmale Lippen hatte und dass sie ihn deswegen körperlich wenig ansprechend fand? Kevins erster Kuss bedeutete das Ende jeden Gefühls von Verliebtheit, das sie vielleicht einmal für ihn empfunden hatte. Aber nur weil Kevin schmale Lippen hatte, war er doch nicht notgedrungen irgendwelcher Verbrechen schuldig oder überhaupt ein schlechter Mensch. Shanahan hatte wundervolle Lippen, was bewies, dass Äußerlichkeiten trügen können, denn er war ein Mistkerl.
»Würden Sie einem Lügendetektor-Test zustimmen, Ms. Breedlove?«, fragte Luchetti und unterbrach damit Gabrielle in ihren stillen Betrachtungen über Männer und deren Lippen.
Gabrielle rümpfte angewidert die Nase. »Ist das Ihr Ernst?« Allein der Gedanke, sich einem Test zur Feststellung einer Lüge unterziehen zu müssen, war ihr zuwider. Warum sollte sie beweisen müssen, dass sie die Wahrheit sagte? Sie pflegte nicht zu lügen. Nun ja, jedenfalls nicht mit Absicht. Manchmal umging sie die Wahrheit oder wich ihr aus, aber das war bei weitem nicht das Gleiche. Lügen schufen schlechtes Karma, und sie glaubte an Karma. Sie war so aufgewachsen, dass sie daran glauben musste.
»Falls Sie uns die Wahrheit sagen, haben Sie von so einem Test ja nichts zu befürchten. Betrachten Sie ihn als Möglichkeit, Ihre Unschuld unter Beweis zu stellen. Wollen Sie denn nicht beweisen, dass Sie unschuldig sind?«
Bevor sie antworten konnte, wurde die Tür aufgestoßen, und ein Mann, den Gabrielle noch nie gesehen hatte, betrat den Raum. Er war groß und dünn und hatte sein spärliches weißes Haar quer über den glänzend rosa Schädel gekämmt. Unter einem Arm trug er einen braunen Hefter. »Guten Tag, Ms. Breedlove«, sagte er und reichte ihr die Hand. »Ich bin Jerome Walker, Polizeichef. Ich habe gerade mit Staatsanwalt Blackburn gesprochen, und er ist bereit, Ihnen vollständige Immunität anzubieten.«
»Immunität wogegen?«
»Die gegen Sie erhobenen Klagen lauten bisher auf unerlaubtes Tragen einer Schusswaffe und schweren tätlichen Angriff gegen einen Beamten der Staatsgewalt.«
Dass ihr schwerer tätlicher Angriff sich gegen einen Beamten der Staatsgewalt gerichtet hatte, bereitete ihr Sorgen. Offensichtlich waren sie nicht der Meinung, dass sie einen berechtigten Anlass hatte, die Derringer bei sich zu führen, ganz gleich, ob sie es glaubte oder nicht. Die Höchststrafe betrug fünfzehn Jahre. Sie fragte sich, auf wie viele Jahre sich wohl die Mindeststrafe belief, dachte sich dann aber, dass sie es doch lieber nicht wissen wollte.
Ihr blieben zwei Möglichkeiten. Sie konnte sich einen Anwalt nehmen, vor Gericht gehen und die Klage abwehren, oder aber sie konnte mit der Polizei kooperieren. Nichts von beidem sagte ihr auch nur annähernd zu, aber sie konnte sich das Angebot ja mal anhören. »Was müsste ich tun?«
»Sie würden eine Erklärung unterschreiben, dass Sie als unsere geheime Informantin arbeiten, und dann schleusen wir einen Undercover-Beamten in Ihren Laden ein.«
»Als Kunden?«
»Nein, wir dachten, er könnte sich als Verwandter von Ihnen ausgeben, der Arbeit sucht.«
»Kevin lässt meine Verwandten nicht mehr im Laden arbeiten.« Spätestens, seit sie ihre Kusine dritten Grades, Babe Fairchild, hatte feuern müssen, weil sie die Kunden mit ihren Geschichten über Levitation und Gedankenübertragung vergraulte. »Und außerdem glaube ich nicht, dass ich Ihnen eine große Hilfe wäre. Diesen Freitag und Sonnabend bin ich gar nicht im Laden. Da bin ich auf dem Coeur Festival im Julia Davis Park.«
Polizeichef Walker zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor und setzte sich ihr gegenüber. Er legte den Hefter vor sich. »Coors Festival?«
»Coeur. Wie Herz. Ich habe dort einen Stand und verkaufe meine ätherischen Öle und Aromatherapien.«
»Ist Carter im Laden, wenn Sie auf diesem Herz-Dingsda verkaufen?«
»Ja.«
»Gut. Nun, wie wär's, wenn Sie eine Aushilfe einstellen, die Sie bei Ihrer Arbeit entlastet?«
»Ich weiß nicht.« Allerdings hatten Kevin und sie darüber gesprochen, jemanden einzustellen, der das Regalsystem an einer größeren Wandfläche anbringen und im Hinterzimmer
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