Handyman Jack - Story-Sammlung
ZWISCHENSPIEL IM DRUGSTORE
Ich sag dir mal eins, Jack«, erklärte Loretta, als sie die 58. West entlangbummelten, »diese dauernden Neuerungen machen mich echt sauer. Stinkwütend. Und außerdem tun mir die Füße weh. Solange ich nicht zu Hause bin und ein großes Glas Jim Beam vor mir habe, kommt mir besser keiner in die Quere.«
Jack nickte und schenkte ihr gerade genug Aufmerksamkeit, dass es nicht unhöflich wirkte. Er machte sich mehr Gedanken um die Leute um sie herum und überlegte, dass es für ihn kaum einen Unterschied machte, ob er ohne Waffe oder ohne Kleidung aus dem Haus ging.
Er fühlte sich nackt. Er hatte für seine alljährliche Wallfahrt zum Empire State Building die vertraute Glock und die Reservepistole in seiner Wohnung zurücklassen müssen. Den 19. April hatte er zum King-Kong-Day erklärt. Jedes Jahr pilgerte er an diesem Tag auf die Beobachtungsplattform hinauf und hinterließ einen kleinen Kranz zum Gedenken an den großen Affen. Der Nachteil bei diesem Zeremoniell war der Metalldetektor, an dem jeder vorbei musste, der nach oben wollte. Und das bedeutete, dass er keine Waffe bei sich führen konnte.
Er hielt sich nicht für paranoid. Na ja, vielleicht doch ein bisschen. Aber er hatte zu vielen Leuten in dieser Stadt übel mitgespielt und unbewaffnet wollte er nur ungern einem davon in die Arme laufen.
Nach der Kranzniederlegung hatte er beschlossen, an der Westside entlang nach Hause, zu gehen und so war er Loretta begegnet.
Sie kannten sich seit zehn, zwölf Jahren, als sie beide in einem Restaurant an der 4. West gekellnert hatten, das es schon lange nicht mehr gab. Sie war damals gerade frisch aus Mississippi in die Stadt gezogen und er war erst ein paar Jahre aus New Jersey raus. Altersmäßig war ihm Loretta bestimmt zehn Jahre voraus, wahrscheinlich ging sie sogar schon stramm auf die Fünfzig zu. Und was das Gewicht betraf, da schaffte sie wahrscheinlich auch locker fünfzig Kilo mehr. Sie trug ihr stachelig abstehendes Haar quietschorange gefärbt und dazu ein formloses grüngelbes Etwas, in dem sie aussah wie eine Seekuh in einem Umstandskleid.
Sie blieb stehen und starrte auf ein schwarzes Cocktailkleid im Schaufenster einer Boutique.
»Na, das ist doch mal ein Schmuckstück. Aber in so etwas passe ich erst dann wieder rein, wenn man mich eingeäschert hat.«
Sie kamen zur 6th Avenue. Als sie an der Kreuzung auf das Umspringen der Ampel warteten, kamen zwei Asiatinnen auf sie zu.
Die Größere fragte: »Sie wissen, wo Saks, 5th Avenue, ist?«
Loretta blickte finster auf sie herab. »An der 5th Avenue, Dummbratze.« Dann atmete sie tief ein und stieß mit dem Finger über ihre Schulter. »Da lang.«
Jack warf ihr einen Blick zu. »Das mit dem stinksauer war wohl nicht nur so dahergesagt, sehe ich das richtig?«
»Hast du schon mal erlebt, dass ich einfach so etwas dahersage, Jack?« Sie schaute sich um. »Verdammt, ich brauch was Essbares auf die Hand. So was wie Schokoladen-Erdnussbutter-Softeis.« Sie deutete auf einen Duane-Reade -Supermarkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite. »Da.«
»Das ist ein Supermarkt.«
»Mein Schatz, du weißt doch, bei Duane Reade gibt’s alles. Scheiße, wenn die bei dem bei mir um die Ecke noch eine Fleischtheke einbauen, gehe ich nirgendwo sonst mehr einkaufen. Komm schon!«
Bevor er sich noch eine Ausrede einfallen lassen konnte, hatte sie seinen Arm ergriffen und zerrte ihn über die Straße.
»Gut ist vor allem deren Make-up-Sortiment. In vielen anderen Läden gibt es nur Cover-Girl, was für Blondinen mit milchweißer Haut ja ganz okay ist – aber auch nur für die. Ich weiß nicht, ob es dir schon aufgefallen ist, doch weiß ist nicht gerade die häufigste Hautfarbe hierzulande. Hier sind alle dunkler angehaucht. Abgesehen von dir, natürlich. Ich weiß, du magst es nicht, aufzufallen, Jack, aber wenn du noch einen Spritzer Kaffee in deinem Sahnegesicht hättest, dann wärst du wirklich unsichtbar.«
Jack gab sich große Mühe, unsichtbar zu sein. Er hatte schon eine gute Ausgangsposition mit seiner durchschnittlichen Größe, der durchschnittlichen Statur, dem gewöhnlichen mittelbraunen Haar und dem nichtssagenden Gesicht. Heute hatte er sich außerdem mit einer Baseballkappe der Mets, einem Flanellhemd, zerschlissenen Jeans und ausgetretenen Arbeitsstiefeln ausstaffiert. Ein ganz gewöhnlicher Kerl, vielleicht ein Bauarbeiter, wie es sie zu Hunderten in den Straßen von Zoo York gab.
Jack wurde
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