Das muss Liebe sein
einmal wegen des Raubs von Antiquitäten strafrechtlich verfolgen. Dieser Anwalt, der sie vertrat, war vielleicht jung, aber schlau wie ein Wiesel. »Irgendwelche Spuren?«
»Ein paar.« Die nahe liegenden Fragen stellte sein Vater nicht, und Joe gab auch von sich aus keine weiteren Erklärungen ab. »Ich muss mir deinen Bohrer und ein paar Werkzeuge ausleihen.« Selbst wenn er es gedurft hätte, wollte Joe doch nicht von seiner geheimen Informantin berichten. Ganz allgemein traute er Informanten nicht über den Weg, und seine derzeitige war zudem noch völlig ausgeflippt, und ihr Theater mit der Derringer hätte ihm um ein Haar eine weitere Degradierung eingebracht. Und dieses Mal hätten sie nicht um den heißen Brei herumgeredet, sondern seine Versetzung eingeleitet. Nach dem albtraumhaften Vorfall im Park an jenem Morgen musste er Carters Kopf auf einem Silbertablett servieren. Er musste seinen Ruf wieder herstellen. Wenn ihm das nicht gelang, dann, so fürchtete er, würden sie ihn zum allerletzten Streifendienst verdonnern, und seine Karriere wäre beendet. Er hatte ja nichts gegen uniformierte Polizisten. Sie waren die Jungs an vorderster Front, und ohne sie hätte er seine Arbeit gar nicht leisten können, doch er war schon zu lange im Job und hatte schon zu viel erlebt, um sich von einer Pistolen schwingenden Rothaarigen die Karriere ruinieren zu lassen.
»Joe, ich habe dir letztes Wochenende etwas mitgebracht«, sagte seine Mutter, als sie auf dem Weg durchs Wohnzimmer an ihm vorbeischwirrte.
Das letzte »Etwas«, das seine Mutter ihm »mitgebracht« hatte, war ein Pfauenpärchen aus Aluminium, das man an die Wand hängen konnte. Im Augenblick lag es neben einer riesigen Makramee-Eule unter seinem Bett. »O Gott«, stöhnte er und warf die unangezündete Zigarette auf den Lampentisch. »Wenn sie das doch endlich lassen würde. Ich hasse diesen Flohmarkt-Krempel.«
»Wehr dich nicht dagegen, mein Sohn, es ist krankhaft«, sagte sein Vater und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher. »Das ist eine Krankheit wie Alkoholismus. Gegen ihre Abhängigkeit ist sie machtlos.«
Joyce Shanahan kam mit einem Sattel zurück, der der Länge nach durchgeschnitten war. »Den hab ich für fünf Dollar bekommen«, prahlte sie und legte den Sattel auf den Boden. »Sie wollten zehn, aber ich hab sie runtergehandelt.«
»Ich hasse diesen Flohmarkt-Krempel«, wiederholte Sam und fügte, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, noch ein schrilles »Braa-ck« hinzu.
Joyces Blick wanderte von ihrem Sohn zu dem Vogel auf der Lehne ihres Sofas. »Er soll sich hüten, mein Sofa schmutzig zu machen.«
Joe konnte nichts versprechen. Er deutete auf den Sattel. »Was soll ich damit? Ein passendes halbes Pferd dazu suchen?«
»Du kannst ihn an die Wand hängen.« Das Telefon klingelte, und sie fügte, schon auf dem Weg zur Küche, hinzu: »An einer Seite sind so kleine Haken angebracht.«
»Dübel ihn am besten an einen Träger, mein Sohn«, riet ihm sein Vater. »Sonst reißt dir das Ding die Trockenmauer ein.«
Joe betrachtete den Sattel mit seinem einen Steigbügel. Unter seinem Bett wurde es allmählich reichlich eng. Aus dem Nebenraum ertönte das Lachen seiner Mutter und schreckte Sam auf. Er schlug mit den Flügeln, zeigte dabei die roten Federn unterhalb seines Schwanzes, flog dann zum Fernseher und setzte sich auf ein Vogelhäuschen aus Holz mit einem künstlichen Nest und darin eingeklebten Plastikeiern. Er legte den grauen Kopf auf die Seite, hob den Schnabel und imitierte täuschend echt das Klingeln des Telefons.
»Sam, lass das«, warnte Joe den Bruchteil einer Sekunde bevor der Vogel Joyces Lachen so perfekt imitierte, dass es schon geradezu unheimlich war.
»Dein komischer Vogel wird eines Tages im Mixer enden«, weissagte sein Vater.
»Wem sagst du das.« Joe konnte nur hoffen, dass Sam nicht vorhatte, mit seinem Schnabel das kleine Vogelhäuschen zu zerfetzen.
Die Haustür wurde mit lautem Knall aufgestoßen, und Joes sieben Jahre alter Neffe Todd kam ins Haus gerannt, gefolgt von der dreizehnjährigen Christy und der zehnjährigen Sara, Joes Nichten.
»Hi, Onkel Joe«, grüßten seine Nichten wie aus einem Munde.
»Hey, ihr zwei.«
»Hast du Sam mitgebracht?«, wollte Christy wissen.
Joe wies mit einer Kopfbewegung auf den Fernseher. »Er wird langsam ein bisschen nervös. Seid nicht so laut in seiner Nähe, und macht keine abrupten Bewegungen. Und bringt ihm keine schmutzigen Wörter
Weitere Kostenlose Bücher