Das muss Liebe sein
zu. »Sag's ihr, Sam.«
Der Papagei blinzelte mit seinen schwarzgelben Augen und trat von einem Fuß auf den anderen. »Ja, gib's mir«, schrie Sam mit schriller Stimme.
Joe wandte sich seiner Mutter zu und lächelte wie ein stolzer Vater. »Siehst du, ich habe seine Jerry-Springer-Kassette durch Clint Eastwood ersetzt.«
Joyce verschränkte die Arme vor ihrem Betty-Boop-T-Shirt. Sie war kaum einssechzig groß, war aber seit jeher Königin, König und Diktatorin im Haushalt der Shanahans. »Wenn er wieder nur Schimpfwörter sagt, muss er gehen.«
»Die Enkel haben ihm diese Kraftausdrücke beigebracht, als sie zu Ostern hier waren«, sagte er und meinte mit den Enkeln die Gesamtheit seiner zehn Nichten und Neffen.
»Wag es nicht, meine Enkel für das schlechte Benehmen dieses Vogels verantwortlich zu machen.« Joyce seufzte und ließ die Hände sinken. »Hast du schon zu Abend gegessen?«
»Ja, ich habe mir nach der Arbeit auf dem Heimweg was geholt.«
»Sag nichts: fettiges Brathähnchen und diese grauenhaften Pommes frites.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe noch einen Rest Lasagne und einen schönen grünen Salat. Davon nimmst du dir was mit nach Hause.«
Wie in vielen Familien üblich, bewiesen auch die Shanahan-Frauen ihre Liebe und Fürsorge durch Bekochen. Gewöhnlich störte es Joe nicht – es sei denn, alle zugleich hatten beschlossen, ihm ihre Liebe zu zeigen. Oder wenn sie über seine Essgewohnheiten sprachen, als ob er zehn Jahre alt wäre und von Kartoffelchips leben würde. »Das wäre prima.« Er wandte sich Sam zu. »Grandma hat dir Lasagne gemacht.«
»Hmph. Da er vermutlich das einzige Wesen ist, das ich von dir als Enkel zu erwarten habe, soll er mir willkommen sein. Aber ich hoffe wirklich, du hast dafür gesorgt, dass er sich die schmutzige Sprache abgewöhnt hat.«
Die Erwähnung von Enkeln war Joes Stichwort für den Rückzug. Er wusste, dass sich die Unterhaltung, sofern er jetzt nicht die Flucht ergriff, zwangsläufig den Frauen zuwenden würde, die angeblich in ständigem Wechsel in seinem Leben kamen und gingen. »Sam ist bekehrt«, sagte er, schlüpfte an seiner Mutter vorbei und ging ins Wohnzimmer, das mit den jüngsten Flohmarkt-Schnäppchen seiner Mutter dekoriert war – mit einem Paar eiserner Fackelhalter an der Wand und einem dazu passenden Wappenschild. Joe fand seinen Vater entspannt in einem braunen Liegesessel vor, die Fernbedienung in der einen, ein hohes Glas Eistee in der anderen Hand. Eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug lagen auf dem Lampentischchen zwischen Sessel und Sofa. Dewey befand sich in den späten Sechzigern, und kürzlich war Joe aufgefallen, dass mit dem Haar seines Vaters etwas Merkwürdiges vorging. Es war immer noch dicht und völlig weiß, doch seit dem letzten Jahr fing es an, gerade nach vorn zu wachsen, was aussah, als hätte Dewey ständig starken Rückenwind.
»Solche Filme machen sie heute nicht mehr«, sagte Dewey, ohne den Blick von der Fernsehkonsole zu wenden. Er reduzierte die Lautstärke, bevor er hinzufügte: »All diese Spezialeffekte, die sie heute bringen, sind einfach nicht so gut wie das Echte. John Wayne verstand es zu kämpfen, und zwar so, dass es auch noch gut aussah.«
Kaum hatte Joe sich hingesetzt, hüpfte Sam von seiner Schulter und krallte seine schuppigen schwarzen Füße in die Sofalehne. »Geh nicht zu weit weg«, ermahnte Joe seinen Vogel, dann griff er nach einer Zigarette, zündete sie aber nicht an. Sam sollte so wenig wie möglich passiv rauchen.
»Du hast das Rauchen wieder angefangen?«, fragte Dewey und riss sich schließlich doch von John Wayne los. »Ich dachte, du hättest aufgehört. Was ist passiert?«
»Norris Hillard«, sagte Joe nur. Ausführlichere Erklärungen waren nicht nötig. In der freien westlichen Welt wusste inzwischen jeder Bescheid über den geraubten Monet. Er wollte, dass jeder es wusste. Er wollte, dass die an dem Raub Beteiligten nervös wurden. Nervöse Menschen machen Fehler. Und wenn es so weit war, würde er zur Stelle sein, bereit, sie einzulochen. Aber Gabrielle Breedlove würde er nicht einlochen. Auch dann nicht, wenn sie bis zu ihrem süßen kleinen Hintern in der Sache drinsteckte. Nicht einmal dann, wenn sie eigenhändig das Bild aus dem Rahmen geschnitten haben sollte. Man hatte ihr vollständige Straffreiheit gewährt – nicht nur in Bezug auf den tätlichen Angriff und alle eventuellen Klagen im Zusammenhang mit dem Fall Hillard, nein, man würde sie nicht
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