Das Nest des Teufels (German Edition)
ebenfalls schwarzer Bart bedeckte den größten Teil seines Gesichts, und um die buschigen Augenbrauen hätte ihn selbst Breschnjew beneidet. Die Augen hinter den dicken Brillengläsern waren mattbraun, und sein Rasierwasser, eine billige Mennen-Kopie, stank wie Insektengift.
Der als Anton angesprochene Mann nahm mir die Koffer ab und verstaute sie im Kofferraum, ohne mich eines Blicks zu würdigen. Lescha öffnete Gezolian und seiner Tochter die Tür zum Fond und nahm dann auf dem Beifahrersitz Platz. Er bedeutete mir, mich hinter ihn zu setzen. Die Limousine war ein überlanges Modell mit einem Klappsitz zwischen Vorder- und Hinterbank. Das sollte also mein Platz sein. Der Sitz hatte keinen Sicherheitsgurt, aber Julia und Gezolian schnallten sich auch nicht an. Ich hatte Julia ein paarmal erklärt, ich würde sie nicht fahren, wenn sie den Gurt nicht anlegte.
«Sonst ist eine Geldbuße fällig. In Finnland kannst du die Polizei nicht bestechen. Und stell dir mal vor, wie furchtbar die Glassplitter dein Gesicht zurichten würden.»
Das hatte gewirkt, aber jetzt meinte Julia wohl, ich säße ja zwischen ihrem Gesicht und den Glassplittern. Der Chauffeur fuhr vorsichtig über die kurvenreichen Bergstraßen, denn es war glatt. Der Dunst war bereits mehr als einen Kilometer über das Tal gestiegen, und auch ohne auf die Straße zu blicken, wusste ich, dass die Sicht schlecht war.
Die Fahrt dauerte nur fünf Minuten. Wegen der vielen Kurven konnte ich nicht abschätzen, ob wir uns östlich oder westlich vom Dorf befanden. Der Wagen hielt vor einem zwei Meter hohen Zaun, der Chauffeur öffnete das Fenster und tippte einen Code ein, dann glitt das Holztor auf. Wir fuhren einen Hügel hinauf zu einem dreistöckigen Blockhaus. Obwohl es im traditionellen Gebirgsstil gebaut war, wirkte es durch seine Größe protzig und war sicher nicht mehr als ein paar Jahre alt.
Ich stieg als Erste aus und hielt Julia die Tür auf. Lescha ging zum Haus, um aufzuschließen, und der Chauffeur Anton hob die Koffer aus dem Wagen. Ich nahm ihm meine Tasche ab und holte scharf Luft, als mir der Geruch des Rasierwassers entgegenschlug. Dann schnupperte ich wie ein Tier, das sich einem fremden Geschöpf nähert. Der Gestank war widerlich. Dennoch nahm ich darunter einen bekannten Geruch wahr, ich erkannte die Form der vom Bart bedeckten Wangenknochen und entdeckte hinter den gefärbten Wimpern einen Blick, in dem ich viele Male versunken war.
Gezolians Chauffeur war David Stahl. Der Mann, den ich seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen und schon einmal tot geglaubt hatte. Wieso zum Teufel stand er im Dienst seines schlimmsten Feindes?
3
«Wohin soll ich das Gepäck bringen?», fragte der Chauffeur auf Russisch, und als ich nicht antwortete, wiederholte er die Frage auf Englisch. Im ersten Moment brachte ich kein Wort heraus, obwohl ich am liebsten geschrien hätte. Beobachtete uns jemand von einem der Fenster des Chalets aus? Ich musste eine Gelegenheit finden, ungestört mit David zu reden.
«Ich weiß nicht, wo wir untergebracht sind, das Haus ist mir unbekannt», antwortete ich auf Englisch. Ich sah ihm in die Augen, die die Farbe von dünnem Kaffee mit Schlieren von gestockter Milch hatten. Wenn man ständig Kontaktlinsen trug, wurden die Augen trocken. In wessen Gesellschaft wagte es David noch, seine Maske abzulegen?
Anton brummte etwas Unverständliches und trug Julias Koffer ins Haus. Er hatte den Motor abgestellt, aber die Türen offen und den Schlüssel stecken gelassen. Es wäre leicht gewesen, den Wagen zu stehlen. Dann konnte ich nach Bern zur finnischen Botschaft fahren und um Asyl bitten. Schließlich war ich in Lebensgefahr. Und David, das verdammte Katzenviech, hatte auch schon mindestens sieben von seinen neun Leben verbraucht. Er musste verrückt sein. War ich noch verrückter, weil ich nicht abhaute?
Doch ich wusste, dass Flucht keine Lösung war. Es war aufreibend, sich zu verstecken, und eine falsche Identität konnte man nicht im Handumdrehen aufbauen. Ich hatte mich selbst in den Ameisenhaufen gesetzt, als ich Juri Trankows Vorschlag annahm.
Hatte David wohl gemerkt, dass ich ihn erkannt hatte? Ich folgte ihm ins Haus. Die Eingangshalle war drei Etagen hoch, an der Decke hing eine mit buntem Mosaik besetzte Statue einer Kuh in Originalgröße. Anton und Lescha besprachen die Quartierfrage. Welche Hierarchie galt wohl unter Gezolians Leuten?
Schließlich trug Anton Julias Koffer die Treppe hinauf, Julia folgte
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