Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
Chalets? Ich fragte Gezolian danach, der mir die vage Auskunft gab, es handle sich um einen Genfer Bankier, mit dem Gezolian geschäftlich zu tun habe. «Mehr brauchen wir beide nicht zu wissen. Stimmt es eigentlich, dass die Finnen rohen Fisch essen wie die Japaner, oder ist das nur ein böswilliges Gerücht?»
    Als ich gerade zu einem kulinarischen Vortrag angesetzt hatte, kam Pierre in die Küche zurück und teilte mir mit, Madame wünsche mich zu sprechen, wenn ich aufgegessen und zum Nachtisch in Ruhe einen Espresso getrunken hätte. Ich ließ mir Zeit, es konnte Julia nicht schaden, eine Weile zu warten. Unterdessen hatte Pierre bereits im Speisezimmer abgedeckt und sagte, Gezolian sei mit seiner Tochter zum Kaffee in die Bibliothek gegangen. Die befinde sich an der Nordseite der hohen Eingangshalle.
    Die Tür zur Bibliothek war drei Meter hoch, und ich musste reichlich Kraft aufbieten, um sie zu öffnen. Ich hatte das Gefühl, zu schrumpfen, als ich den hohen Raum betrat, in dem alles riesig war. Die mit Glastüren versehenen Bücherregale waren mit uralt aussehenden, in Leder gebundenen Werken gefüllt, von denen einige auf dem Rücken kyrillische Buchstaben trugen. Die Sessel bestanden aus gedrechseltem Holz, sie hatten Lederpolster und so hohe Beine, dass Julias Füße trotz der Absätze nicht bis zum Boden reichten; sie schlenkerte mit den Beinen wie ein Kind. An den Wänden hingen Jagdtrophäen: ausgestopfte Vögel, ein Fuchs, ein Dachs, die Stoßzähne eines Elefanten, ein Bärenkopf. Ein Luchs war zum Glück nicht darunter.
    «Ich will morgen schon früh Ski laufen, denn am Nachmittag soll es furchtbar windig werden. Der Chauffeur kann uns zum Hockenhorn bringen. Allerdings sind die Pisten dort vielleicht zu schwierig für dich. Ich überlasse es dir, ob du mit mir abfährst oder unten auf mich wartest», erklärte Julia.
    Gezolian sagte etwas auf Russisch und strich seiner Tochter über den Arm.
    «Weiß der Chauffeur schon Bescheid?», fragte ich und wunderte mich, dass meine Stimme ganz normal klang.
    «Ich habe ihm eine Nachricht geschickt. Er wohnt unten im Dorf.»
    Also musste ich die Hoffnung begraben, David noch an diesem Abend aufsuchen zu können. Als ich in meinem Zimmer war, rief ich ihn an, doch ich erhielt dieselbe Antwort wie seit fast einem Jahr: Der Teilnehmer ist derzeit nicht zu erreichen. Damit musste ich mich zufriedengeben. Am nächsten Morgen würde ich David allerdings nicht entkommen lassen, selbst wenn ich deshalb unter Lebensgefahr eine schwarz markierte Piste bezwingen musste.
    Ich machte ein paar Dehnungsübungen, dann öffnete ich das Fenster. Der Frost stach mir in die Augen, die Temperatur war um mehr als zehn Grad gesunken. Der Nebel, der über dem Tal schwebte, schien sich zu senken, hier und da kamen Baumwipfel zum Vorschein. Die Lichter des Dorfes Leysin konnten den Glanz der Sterne nicht abschwächen. Am liebsten hätte ich geschrien, vor Wut und Freude zugleich.
    David Stahl war doch nicht tot. Aber er schien es permanent darauf anzulegen, im Sarg oder in einer Urne zu landen.
    Ich schickte Monika per SMS Grüße aus Leysin und fügte hinzu, ich hätte ein hervorragendes Raclette gegessen. Das eine Glas Wein, das ich dazu getrunken hatte, hielt mich wach. Dennoch schlief ich irgendwann ein, aber im Schlaf hörte ich Geräusche: das Rattern eines Hubschraubers im Norden, einen Schneepflug im Tal, Hundegebell weit weg in den Bergen. War der Hund einem Luchs auf der Spur?
    Am Morgen begann der Nebel aufzureißen, und die Landschaft hatte viel tiefere Dimensionen als am Tag zuvor. Aber auch der Wind war stärker geworden, er rüttelte an den Fensterläden und blies Schnee über die Bergwände. Pierre sang in der Küche «Welke Blätter». Ich wies ihn darauf hin, dass das Chanson nicht zur Jahreszeit passte.
    «Sei nicht so pedantisch! Wie möchtest du dein Frühstücksei? Wie wäre es mit meiner Spezialität, Schweizer Käse-Omelette? Aus zwei oder drei Eiern?»
    Ich ließ ihn wursteln. Er schenkte Milchkaffee ein und brachte Toastbrot. Wenn ich in Gedanken nicht bereits damit beschäftigt gewesen wäre, David ins Gebet zu nehmen, hätte ich mich durchaus auf einen Flirt einlassen können. Ich lachte gerade über irgendein zweideutiges Bonmot, als die Tür, die vom Hof in die Küche führte, aufging. Ein Mann klopfte sich den Schnee von den Schuhen. Seine Schritte waren schwer und schleppend, ich erkannte sie dennoch.
    «Guten Morgen, Anton. Einen Kaffee?» Pierre

Weitere Kostenlose Bücher