Das Netz Der Grossen Fische
unwirtlichen, gottverlassenen Gegend der Madonie-Berge gelegen war. Wenn er sie da besuchen wollte, fuhr er drei Stunden mit dem Auto, war zwei Stunden mit ihr zusammen und brach gegen vier Uhr morgens wieder nach Palermo auf.
Und wenn er sie auf dem Handy vom Büro aus anrief, behielt er stets den Monitor im Auge, um sicherzugehen, dassAlfio im Studio festgehalten wurde und Nachrichten moderierte.
Wie sollte ihnen also irgendjemand auf die Schliche gekommen sein?
»Weiß man … weiß man, mit wem?«, fragte er und sah Caterina in die Augen.
Doch die hielt seinem Blick unerschütterlich stand. Ein Zeichen dafür, dass sie ihn als Giudittas Liebhaber nicht in Betracht zog. Und so war es auch.
»Es heißt … sie treibt’s mit einem Abgeordneten.«
»Einem aus Rom oder von hier?«
»Von hier, wie es aussieht.«
»Und mit wem?«
»Den Namen kenne ich nicht. Aber wenn Sie wollen, erkundige ich mich mal.«
Er setzte eine unbeteiligte Miene auf, denn möglicherweise würde die Sekretärin Verdacht schöpfen, wenn er sich allzu sehr für diese Angelegenheit interessierte.
»Also gut, aber du brauchst jetzt keinen auf Commissario Montalbano zu machen. Wenn du den Namen herausfindest, gut, wenn nicht, ist das auch kein Beinbruch. Es ging ja nur darum, dahinterzukommen, warum Alfio so nervös ist. Du kannst jetzt gehen, mach aber die Tür hinter dir zu.«
Auf dem Bildschirm tauchte nach der Schlagzeilenübersicht Alfio auf. Da zog Michele das Handy aus der Tasche und wählte Giudittas Nummer.
»Der von Ihnen gewünschte Teilnehmer ist zurzeit …«, sagte eine weibliche Stimme vom Band.
Er war überrascht. Sein allabendlicher Anruf zu Beginn des Nachrichtenjournals war ihnen doch zur festen Gewohnheit geworden, obwohl sie das nie ausdrücklich vereinbarthatten. Dabei wollte er ihr gerade jetzt unbedingt mitteilen, was für ein Gerücht im Umlauf war. Sie mussten sich am kommenden Sonntag sehen, wenn Alfio wie gewohnt zu seiner Mutter nach Catania fuhr, und sich über einen oder zwei Treffpunkte verständigen, die sicherer waren als die bisherigen.
Nach fünf Minuten versuchte er es erneut.
»Der von Ihnen gewünschte …«
Er fluchte. Wieso hatte sie ihr Handy ausgeschaltet? War sie etwa ins Kino gegangen?
Aber warum? Sie waren sich doch einig, dass sie miteinander sprechen wollten.
Er steckte sein Handy wieder in die Tasche und griff zum Telefonhörer.
»Cate? Ruf doch mal Butera an.«
Richter Filippo Butera war einer seiner engsten Vertrauten.
»Filì? Michele hier.«
»Michè! Hier herrscht gerade absolutes Chaos. Fernsehsender, Journalisten … Ich hab nur wenig Zeit. Was gibt’s?«
»Die Meldung von der Benachrichtigung wegen des Ermittlungsverfahrens habe ich zurückgehalten.«
»Und warum?«
»Na ja, ich hatte dich um acht angerufen, aber du warst nicht da. Bevor ich sie sende, wollte ich mit dir sprechen, um sicherzugehen, dass …«
»Bring’s in der nächsten Ausgabe, sonst heißt es noch, dass du dem Herrn Abgeordneten eine Gefälligkeit erweisen willst.«
Damit legte er auf. Na gut … Er würde die Meldung in der Ausgabe um elf senden, wie er es ohnehin vorgehabt hatte.
»Cate? Wo ist Marcello?«
»Im Gericht.«
»Sag ihm, er soll für die nächste Ausgabe eine Direktschaltung wegen der Ermittlungsbenachrichtigung an Caputo machen. Und sag Mancuso Bescheid.«
Gilberto Mancuso war der Moderator der Spätausgabe, ein durch und durch vernünftiger Mann, der genau wusste, was er zu sagen hatte, kein Wort zu viel und keines zu wenig. Die erste Ausgabe des Telejournals um 13.30 Uhr leitete dagegen Marcello Scandaliato, der auch für Justizfragen zuständig war.
Und dann, als die Regionalnachrichten ihrem Ende zugingen, spürte er das Handy in seiner Tasche vibrieren. Es war Giuditta.
»Ich hab dich angerufen, aber …«
»Ich stand unter der Dusche. Ich konnte diese Hitze einfach nicht mehr ertragen. Entschuldige.«
»Ist wegen übermorgen alles in Ordnung? Fährt er auch ganz sicher nach Catania?«
»Ganz sicher. Wenn du willst, können wir uns auch schon ein Stündchen eher treffen.«
»Dann also um vier dort, wie immer?«
»Ja.«
»Ich muss mit dir reden.«
»Das wird ja hoffentlich nicht alles sein«, sagte Giuditta lachend.
Ihr raues Lachen kam tief aus der Kehle, und dieses Lachen raubte ihm den Verstand.
»Sag mal, ist dir eigentlich auch schon aufgefallen, wie nervös Alfio in letzter Zeit ist?«
»Alfio? Nervös? Nein. Wieso?«
»Also hier ist er es.
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